Ergebnisse des Projekts MobilKULT

Worum geht es in MobilKULT?

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Projektübersicht MobilKULT

Im Projekt MobilKULT untersuchen wir Mobilitätsgewohnheiten und deren Veränderungen in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern.

In regelmäßigen Abständen fragen wir rund 2.500 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihrer Meinung zu Infrastrukturen, zu politischen Maßnahmen und zur Automobilitätskultur sowie zu ihren Gewohnheiten. Da es sich jedes Mal um dieselben Personen handelt, können wir so Veränderungen und Zusammenhänge messen.

Die aktuellen Ergebnisse werden fortlaufend auf dieser Seite eingestellt, momentan die der dritten Welle im Winter 2023/2024. Die Ergebnisse der vorherigen Wellen sind über das Archiv weiterhin zugänglich.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an das MobilKULT-Projektteam.

Kernaussagen

Mehr als gute Vorsätze

Das Auto ist Verkehrsmittel Nummer eins. Doch viele Menschen würden gerne auf nachhaltigere Mobilität umsteigen, was einigen auch gelungen ist. Dies gilt auch für Menschen aus ländlichen Regionen und für Menschen, die viel Auto fahren.

E-Mobilität im Trend

Immer mehr Menschen steigen auf E-Autos um. Diesen Anstieg sehen wir vor allem in ländlichen Regionen. 

Glaubwürdige Verkehrspolitik?

Erneut zeigt sich, dass die Menschen eine klare und zielorientierte Verkehrspolitik in Deutschland vermissen.

Erfolg des Deutschlandtickets

Das Deutschlandticket ist sehr beliebt und verändert das Mobilitätsverhalten. Die Menschen mit Deutschlandticket fahren tatsächlich weniger Auto.

Wunsch nach mehr nachhaltiger Mobilität

Die Vorstellungen der Menschen – ob sie nun auf dem Land oder in der Stadt leben – ähneln sich in diesem Punkt sehr.

Überblick

Welche Infrastrukturen bestimmen die Mobilität?

Welche Gewohnheiten bestimmen die Mobilität?

Welche Rolle spielt die Automobilitätskultur?

Welche Rolle spielen politische Maßnahmen im Mobilitätsbereich?

Welche Infrastrukturen bestimmen die Mobilität?

Infrastrukturen haben einen wichtigen Einfluss, welche Verkehrsmittel den Menschen zur Verfügung stehen – und ob oder wie sie diese nutzen können. Mit Infrastrukturen meinen wir nicht nur rein materielle Infrastrukturen wie Straßen oder Internetverbindungen, sondern auch soziale Infrastrukturen wie die Versorgung mit und Zugänglichkeit von gewissen Dienstleistungen. Je nachdem, wie verfügbar Infrastrukturen sind, können Menschen mit mehr oder weniger Aufwand ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen. 

Deshalb interessiert uns in dieser Studie, ob die Menschen eher in städtischen, vorstädtischen oder ländlichen Regionen leben und auf welche Verkehrsmittel sie in ihrem Alltag typischerweise zurückgreifen. 

Im Laufe der Studie werden wir dabei immer genauer Einblick erhalten, inwiefern solche regionalen Strukturen mit Entscheidungen, Vorstellungen und Einstellungen zur (Auto-)Mobilität zusammenhängen.

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Wohnort der Befragten

So setzt sich unsere Stichprobe zusammen:

Die Zahl der Teilnehmenden aus Baden-Württemberg ist auch in der dritten Welle, die über den Jahreswechsel 2023/2024 stattfand, höher als die Zahl der Befragten aus Mecklenburg-Vorpommern. Dadurch bilden wir die unterschiedliche Bevölkerungsgröße der beiden Bundesländer teilweise ab: In Baden-Württemberg leben etwa siebenmal mehr Menschen als in Mecklenburg-Vorpommern. Fast die Hälfte der Teilnehmenden aus Mecklenburg-Vorpommern wohnt in ländlichen Gebieten, während in Baden-Württemberg die Hälfte der Teilnehmenden in vorstädtischen und ein gutes Drittel in städtischen Gebieten wohnt.

Das heißt: Die Lebensräume der Befragten unterscheiden sich. Uns interessiert, inwiefern diese verschiedenen Voraussetzungen etwas damit zu tun haben, wie Menschen mobil sind, welche Einstellungen die Personen haben, was sie prägt und wie veränderungsbereit sie hinsichtlich ihrer Mobilitätsgewohnheiten sind.

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Strukturregionen und Nutzungsintensität des Autos

Wie bewegen sich die Menschen je nach Wohnregion fort?​

Wir wollen wissen, wie der Wohnort mit der Autonutzung zusammenhängt. Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Teilnehmenden aus drei unterschiedlichen Strukturregionen – Land, Vorstadt und Stadt – in Viel- und Wenigfahrende aufgeteilt. Vielfahrende nutzen das Auto für mindestens 90 Prozent ihrer wöchentlichen Wege, Wenigfahrende für höchstens 10 Prozent.​

Wie schon in den vorherigen Wellen zeigt sich, dass auf dem Land und in den Vorstädten mehr Menschen Vielfahrende sind. In der Stadt hingegen ist der Anteil der Personen, die wenig mit dem Auto unterwegs sind, größer. Im Vergleich zur Welle 2 sehen wir einen Anstieg bei den Vielfahrenden auf dem Land und einen leichten Anstieg bei den Wenigfahrenden in der Stadt. Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Unterschiede in den Infrastrukturen auf die Verkehrsmittelwahl auswirken. Inwieweit sich diese Entwicklungen fortsetzen, ist eine Frage für die nächste Welle.

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Veränderungen in der Autonutzung von Welle 2 zu Welle 3

Wie hat sich die Autonutzung der Menschen verändert, die an Welle 2 und Welle 3 teilgenommen haben?

Wir beobachten Verschiebungen zwischen den Wenigfahrenden und den Personen mit mittlerer Autonutzung: 22 Prozent der Wenigfahrenden aus Welle 2 haben nun eine mittlere Autonutzung; 18 Prozent der Personen mit mittlerer Autonutzung aus Welle 2 gelten nun als Wenigfahrende. Insgesamt jedoch gleichen sich die Wechselbewegungen weitgehend aus, sodass der Anteil der Personen innerhalb der drei Kategorien zwischen Welle 2 Welle 3 gleich geblieben ist.

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Durchschnittliche Verkehrsmittelnutzung nach Wohnregion

Das Auto bleibt Verkehrsmittel Nummer eins – egal ob Stadt oder Land. Vor allem in Städten werden Wege aber häufiger mit nachhaltigeren Verkehrsmitteln zurückgelegt.

Auf dem Land und in den Vorstädten dominiert das Auto mit 67 beziehungsweise 55 Prozent der Wegeanteile. Danach folgt in diesen Strukturregionen die Fußmobilität mit 16 beziehungsweise 21 Prozent der Wegeanteile. Alle anderen Fortbewegungsmöglichkeiten haben jeweils einen Anteil von weniger als 10 Prozent der Wege. 

Aber auch in den Städten liegt der Wegeanteil mit dem Auto bei 35 Prozent, wenngleich Fußmobilität, ÖPNV und auch Radmobilität jeweils einen deutlich höheren Anteil als in den anderen Strukturregionen haben und die Menschen durchschnittlich multimodaler – also mit verschiedenen Verkehrsmitteln – unterwegs sind.

Welche Gewohnheiten bestimmen die Mobilität?

Gewohnheiten beschreiben typisches Verhalten: Welche Verkehrsmittel nutzen die Befragten normalerweise, um ihren Alltag zu bewältigen oder auch in den Urlaub zu fahren? Warum fahren manche eher mit dem Auto, andere mit dem Rad, um einen Ausflug zu machen? Wann ändern sich diese Gewohnheiten möglicherweise?

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Bedeutsame Veränderungen in der durchschnittlichen Verkehrsmittelnutzung
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Bedeutsame Veränderungen in der durchschnittlichen Verkehrsmittelnutzung (Aufteilung nach Wohnort)

Autonutzung stabil, Jahreszeiteneffekt bei der Fahrradnutzung, Anstieg der Nutzung von Elektroautos.

Unter den Personen, die bislang an allen drei Wellen teilgenommen haben (N = 829) sehen wir eine Autonutzung, die seit Welle 2 bei 52 Prozent und damit niedriger als in Welle 1 (56 Prozent) liegt.

Bei der Fahrradnutzung sehen wir den erwarteten Jahreszeiteneffekt, das heißt, die Fahrradnutzung ist in Welle 3 wieder ungefähr auf dem gleichen, niedrigeren Niveau wie in Welle 1. In Welle 2, die im Sommer durchgeführt wurde, lag sie entsprechend ungefähr drei bis fünf Prozentpunkte höher.

Bei der Nutzung von Elektroautos zeichnet sich ein ansteigender Trend ab, wenn auch auf niedrigem Niveau: Seit Welle 1 ist der Anteil der Elektroautos an den wöchentlichen Wegen von 2 auf 4 Prozent angestiegen.

Eine detailliertere Untersuchung dieser Trends zeigt vor allem drei Dinge: 

  1. Die Autonutzung ist insbesondere außerhalb der Städte gesunken: In den Vorstädten von 62 auf 58 Prozent, auf dem Lad von 71 auf 66 Prozent. 
  2. Die Nutzung von Elektroautos ist vor allem auf dem Land relativ stark angestiegen – von 2 auf 5 Prozent. 
  3. Die Fahrradnutzung scheint vor allem auf dem Land anfällig für den Jahreszeiteneffekt zu sein: Im Winter (Welle 1 und 3) liegen die Wegeanteile mit dem Rad bei sechs Prozent, im Sommer (Welle 2) immerhin bei 10 Prozent. Auch in den Vorstädten waren die Differenzen größer als in innerstädtischen Gebieten.
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Setzen die Personen ihre Absichten in die Tat um?

Gelingt es den Personen, ihre Vorhaben in die Tat umzusetzen?

Wir haben die Personen genauer betrachtet, die in der zweiten Welle angegeben hatten, dass sie gerne nachhaltiger mobil wären. Das heißt, dass sie in der kommenden Zeit mehr zu Fuß gehen (N = 336), mehr das Rad nutzen (N = 281) oder häufiger den ÖPNV nutzen wollten (N = 136). Zumindest teilweise scheinen diese Personen ihre Vorhaben in Welle 3 auch umgesetzt zu haben: Zwischen 37 und 49 Prozent der Personen haben ihre Absicht aus Welle 2 in die Tat umgesetzt. Allerdings gibt es auch ähnlich große Anteile an Personen, die trotz höherer Nutzungsabsicht in Welle 2 nun die entsprechenden Verkehrsmittel weniger nutzen. Lediglich bei der ÖPNV-Nutzung zeigt sich ein deutlich höherer Anteil an Personen, die ihre Absicht in die Tat umgesetzt haben.

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Womit erledigen die Befragten ihre Einkäufe und womit fahren sie innerhalb Deutschlands in den Urlaub?

Wie in den bisherigen Wellen zeigt sich: Das Auto ist für viele Menschen das wichtigste Verkehrsmittel  – egal ob im Alltag oder bei der Fahrt in den Urlaub.

Andere Verkehrsmittel spielen in den meisten Situationen eine untergeordnete Rolle – in dieser Grafik beispielhaft dargestellt für das Einkaufen im Alltag und die Fahrt in den Urlaub innerhalb Deutschlands. ​

Nur jede:r fünfte Befragte geht zu Fuß zum Einkaufen, und nur jede:r zehnte nimmt das Fahrrad. ​Um innerhalb Deutschlands in den Urlaub zu fahren, nehmen 21 Prozent der Befragten den Fernzug oder den Fernbus, und 10 Prozent nutzen den ÖPNV. 

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Wie wollen sich Vielfahrende in Zukunft fortbewegen?

Die Vielfahrenden in Welle 3 sind nur teilweise dazu bereit, auf nachhaltigere Verkehrsmittel umzusteigen.

Bis zu 24 Prozent der Vielfahrenden in Welle 3 zeigen sich wechselbereit: Sie wollen in Zukunft mehr zu Fuß oder mit dem Rad mobil sein. Dieser Anteil ist allerdings deutlich geringer als unter den Vielfahrenden in den beiden vorherigen Wellen (bis zu 27 Prozent in Welle 2 und bis zu 34 Prozent in Welle 1). Die meisten Vielfahrenden geben auch dieses Mal wieder an, ihr Verhalten nicht anpassen zu können oder zu wollen.

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Wie wollen sich Vielfahrende in Zukunft fortbewegen? (Aufteilung nach Wohnort)

Unterscheidet sich die Wechselbereitschaft nach Region?

Tendenziell gibt es einen höheren Anteil an Menschen aus vorstädtischen und ländlichen als aus städtischen Regionen, die gerne mehr mit dem Rad oder zu Fuß mobil wären. Beim ÖPNV und dem Fernverkehr gibt es keine Unterschiede zwischen den Regionen. Die Region entscheidet also nicht grundsätzlich darüber, ob Personen mehr oder weniger bereit sind, auf nachhaltigere Verkehrsmittel umzusteigen.

Interessant ist, dass auch in ländlichen Regionen bis zu 23 Prozent der Vielfahrenden beabsichtigen, in Zukunft nachhaltiger mobil zu sein. Auch wenn dieser Anteil geringer ist als in den vorherigen Wellen, zeigt dies, dass der Wunsch nach nachhaltiger Mobilität kein rein städtisches Phänomen ist.

Welche Rolle spielt die Automobilitätskultur?

Mobilitätskultur ergibt sich aus zahlreichen Faktoren – etwa den Gewohnheiten vieler Menschen, den vorhandenen Infrastrukturen sowie der Geschichte – aber auch unseren gesellschaftlich geprägten und gewachsenen Wünschen und Erwartungen. Kultur beeinflusst, welche Entscheidungen wir treffen und was wir bei einer Entscheidung überhaupt in Betracht ziehen. Durch unsere Entscheidungen halten wir die Kultur am Leben – oder wir verändern sie. ​

In Deutschland beobachten wir eine Mobilitätskultur, die stark auf das Auto ausgerichtet ist. Wir nennen das Automobilitätskultur. Diese Ausrichtung am Auto beeinflusst alle Infrastrukturen und damit auch unser Leben als Ganzes. In unserer Studie betrachten wir sieben Faktoren, durch die sich Automobilitätskultur auf persönlicher Ebene ausdrückt. Dabei greifen wir negative und positive Aspekte des Autofahrens auf.

Hierzu zählen:​

  1. Identifikation mit dem Auto: Was zeigt man dadurch, dass man ein Auto besitzt? Sagt es etwas über die Person aus?
  2. ​Sozialer Druck zu nachhaltiger Mobilität: Wie stehen Freund:innen und Familie zum Thema Autofahren?​
  3. Bewusstsein für die negativen Umweltauswirkungen des Autofahrens: Inwiefern tragen Autos zum Klimawandel und zur Luftverschmutzung bei?​
  4. Abneigung gegen das Autofahren: Ist Autofahren mit Stress verbunden?​
  5. Positive Gefühle beim Autofahren: Bedeutet Autofahren, frei zu sein?​
  6. Gewünschte Wohnsituation: Wie möchten die Menschen am liebsten leben – im eigenen Einfamilienhaus?​
  7. Abhängigkeit vom Auto: Ist es für den eigenen Alltag notwendig, ein Auto zu besitzen und zu fahren?
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Wahrgenommene Autoabhängigkeit (Aufteilung nach Wegen)

Positive Einstellungen gegenüber dem Auto einerseits – wahrgenommene Abhängigkeit andererseits.

Vielfahrende nehmen eine stärkere Abhängigkeit vom Auto wahr, haben einen stärkeren Wunsch, in einem Eigenheim außerhalb des Stadtzentrums zu leben, verbinden mehr positive Gefühle mit dem Autofahren und identifizieren sich stärker mit ihrem Auto als Wenigfahrende. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der vergangenen Wellen. 

Auf der anderen Seite empfinden Wenigfahrende einen höheren sozialen Druck, alternative Verkehrsmittel zu nutzen, eine höhere Abneigung gegen das Autofahren sowie ein stärkeres Bewusstsein für die negativen Umweltauswirkungen des Autofahrens. Auch diese Tendenzen decken sich mit den vergangenen Wellen.

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Wahrgenommene Autoabhängigkeit (Aufteilung nach Wohnort)

Je ländlicher, desto stärker ist die Abhängigkeit vom Auto. ​Je städtischer, desto höher das Bewusstsein für Umweltauswirkungen und Alternativen.​

Personen in ländlichen Gebieten empfinden die stärkste Abhängigkeit vom Auto. Sie identifizieren sich aber genauso wenig mit dem Auto wie die Personen aus den anderen Regionen. Personen in städtischen Gebieten hingegen empfinden den stärksten sozialen Druck, nachhaltige Verkehrsmittel zu nutzen sowie die stärkste Abneigung gegen das Autofahren. Zudem zeigen sie das größte Bewusstsein für die negativen Umweltauswirkungen des Autofahrens.​ Diese Ergebnisse finden wir konsistent in allen drei bisherigen Wellen.

Über Ursache und Wirkung können wir auch hier keine Aussagen treffen. Trägt eine geringere Abhängigkeit vom Auto dazu bei, dass man das Auto negativer bewertet – oder möchte man lieber in einer Stadt leben, weil man Autos negativ bewertet und sich dort unabhängiger davon fühlt?

Welche Rolle spielen politische Maßnahmen im Mobilitätsbereich?

Politische Maßnahmen und Instrumente bilden einen Rahmen, in dem sich Infrastrukturen, Gewohnheiten und Mobilitätskulturen prägen, etablieren oder verändern können. Sie sind selbst Ausdruck und Teil der aktuellen Mobilitätskultur. Wir betrachten sie deshalb als Schlüssel für das Verständnis der Mobilität von heute und für Veränderungen für die Mobilität von morgen. ​

Politische Maßnahmen zur Mobilitätswende können im Allgemeinen in Pflicht- und Anreiz- beziehungsweise preisliche Maßnahmen unterschieden werden: Pflicht-Maßnahmen zielen darauf ab, Veränderungen wie eine geringere Autonutzung durch Eingrenzung oder Regelungen zu fördern, zum Beispiel durch Tempo-30-Zonen in Innenstädten. Anreiz- beziehungsweise preisliche Maßnahmen hingegen sollen durch Verbesserung und Attraktivitätssteigerung, sowie einer veränderten Preisgestaltung zu einer erhöhten Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel führen. Uns interessiert, wie unsere Befragten zu aktuell diskutierten  Maßnahmen im Mobilitätsbereich stehen und welche Merkmale hinsichtlich Infrastruktur, Gewohnheiten und (Auto-)Mobilitätskultur für eine Zustimmung oder Ablehnung entscheidend sind. 

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Bewertung politischer Maßnahmen

Die Hälfte der untersuchten politischen Maßnahmen wird eher befürwortet – ein klares »Ja!« zum Deutschlandticket.

Das Deutschlandticket ist nach wie vor mit sehr großem Abstand die beliebteste Maßnahme. Weiterhin befürworten die Befragten kostenloses Parken für Elektroautos während des Ladevorgangs, Vorrangschaltungen an Ampeln für den Fuß- und Radverkehr sowie eine Kaufprämie für Elektroautos (die jedoch aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts während des Erhebungszeitrums gestrichen wurde). 

Auf der anderen Seite lehnen die Befragten die Umwidmung von Autospuren, eine CO2-abhängige Zulassungssteuer sowie eine entsprechende Pkw-Maut und die Erhöhung von Parkgebühren eher ab. Interessanterweise sehen wir beim Deutschlandticket und der Erhöhung von Parkgebühren das gleiche Unterstützungsniveau wie in Welle 1, nachdem es in Welle 2 leicht abgesunken war.

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Bonus-Malus-System: Bewertung
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Bonus-Malus-System: Finanzierung

Eine einkommensabhängige Ausgestaltung macht ein Bonus-Malus-System attraktiver.

In der Debatte um die Förderung des Umstiegs von Verbrennerfahrzeugen zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen wird ein so genanntes Bonus-Malus-System als eine Möglichkeit diskutiert.

In einem Bonus-Malus-System erhalten Personen beim Kauf eines klimafreundlichen Fahrzeugs, zum Beispiel eines Elektroautos, eine staatliche Förderung (sogenannter »Umweltbonus«). Beim Kauf eines Verbrennerfahrzeugs hingegen müssen sie eine einmalige Abgabe (sogenannter »Malus«) zahlen, die nach Höhe des CO2-Ausstoßes des jeweiligen Fahrzeugs gestaffelt ist. Das heißt, für Autos mit einem höheren CO2-Ausstoß pro Kilometer muss eine höhere Abgabe gezahlt werden als für ein Fahrzeug mit einem niedrigeren CO2-Ausstoß. 

Einkommensabhängige Ausgestaltung bedeutet: Menschen mit niedrigerem Einkommen erhalten mehr Förderung für die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Pkw als Menschen mit höherem Einkommen. Ebenso beim Malus: Menschen mit niedrigerem Einkommen müssen bei der Anschaffung eines Verbrennerfahrzeugs weniger zahlen als Menschen mit höherem Einkommen.

Ein generelles Bonus-Malus-System ist laut unseren Ergebnissen im Durchschnitt eher unattraktiv – seine Attraktivität kann jedoch durch eine einkommensabhängige Ausgestaltung gesteigert werden.

Die Mehrheit der Befragten wünscht sich zudem ein aufkommensneutrales System, das heißt die Einnahmen aus den Malus-Zahlungen sollen der Höhe der gewährten Boni entsprechen. Jeweils gut ein Fünftel der Befragten gab an, das System solle Mehreinnahmen für den Staat generieren beziehungsweise von diesem bezuschusst werden.

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Glaubwürdigkeit der deutschen Verkehrspolitik

Die Befragten beurteilen die aktuelle Verkehrspolitik nach wie vor als wenig glaubwürdig.

Hier betrachten wir Personen, die sowohl an Welle 2 als auch an Welle 3 teilgenommen haben (N = 1.197). Die Menschen bewerten die aktuelle Verkehrspolitik weiterhin tendenziell als wenig glaubwürdig und zielorientiert. Dies zeigt sich dadurch, dass sie wenig eindeutige politische Signale, keinen wirklich starken politischen Willen und keine klare politische Vision erkennen. Auch seitens der Bundesregierung wird  mangelnde Unterstützung wahrgenommen. Insgesamt sind diese Bewertungen im Vergleich zu Welle 2 konstant geblieben oder leicht positiver ausgefallen.

Politische Maßnahme im Fokus: Deutschlandticket

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Deutschlandticket: Besitzer:innen

Gut jede:r fünfte Teilnehmende besitzt das Deutschlandticket. 

Das Deutschlandticket ist unter den Teilnehmenden sehr beliebt. Die Besitzquote ist über die Zeit angestiegen. Aktuell besitzen 21 Prozent der Teilnehmenden das Deutschlandticket. In städtischen Regionen ist das Ticket deutlich stärker verbreitet; dort besitzt es fast jede:r Dritte. Der Anteil derer, die das Deutschlandticket zum Zeitpunkt der Befragung nicht besitzen, es aber in naher Zukunft kaufen möchten, ist über die Zeit zurückgegangen und liegt aktuell bei 3 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass das Marktpotenzial des Deutschlandtickets mit den aktuellen Rahmenbedingungen (das heißt Preis, Infrastrukturen) möglicherweise bei 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung ausgeschöpft ist.

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Deutschlandticket: ÖPNV-Nutzung

Personen mit Deutschlandticket nutzen den ÖPNV häufiger als andere Personen.

Der Besitz des Deutschlandtickets geht mit einer hohen Nutzung des ÖPNV einher. Insgesamt legten Deutschlandticket-Besitzer:innen 36 Prozent ihrer Wege einer Woche mit dem ÖPNV zurück. In der Stadt lag dieser Wert mit 41 Prozent noch etwas höher. Personen, die aktuell kein Deutschlandticket besitzen, es aber in Zukunft kaufen möchten, nutzen den ÖPNV bereits zum Zeitpunkt der Befragung häufiger als Personen, die kein Ticket besitzen und auch nicht vorhaben, es zu kaufen. Diese Beobachtung zeigt sich über alle Regionstypen und verschiedene Alltagssituationen (zum Beispiel Einkaufen, zur Arbeit fahren, Tagesausflüge) hinweg.

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Deutschlandticket: Wegeanteile bei Besitzer:innen

Personen nutzen verstärkt den ÖPNV, nachdem sie ein Deutschlandticket gekauft haben.

Insgesamt haben 71 Personen zwischen Welle 2 und Welle 3 ein Deutschlandticket gekauft. Dabei lässt sich beobachten, dass diese Personen in Welle 3 einen deutlich höheren ÖPNV-Anteil angaben (+14 Prozentpunkte), während der Anteil der Wege mit dem Auto um 9 Prozentpunkte zurückging. Darüber hinaus beobachten wir ein stabiles Niveau der Wegeanzahl pro Woche und einen leichten Rückgang der mit dem Auto zurückgelegten Wege. Dies zeigt, dass durch das Deutschlandticket eine tatsächliche Mobilitätsverlagerung erreicht werden kann.

Fragen und Antworten

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    In einer Panelstudie befragen wir dieselben Personen in regelmäßigen Abständen zu denselben oder ähnlichen Themen. Dies ermöglicht uns, Aussagen darüber treffen zu können, wie sich die Ansichten einzelner Personen über die Zeit verändern. Durch solche wiederholten Befragungen lässt sich auch besser herausfinden, was Veränderungen verursacht: Was sind die Auslöser für Änderungen und wie entwickeln sich diese über die Zeit?

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    Unser Mobilitätsverhalten ist durch Gewohnheiten bestimmt. Diese erleichtern unseren Alltag – so entscheiden wir nicht täglich neu, wie wir zur Arbeit gelangen können, sondern haben uns einmal entschieden und bleiben dabei.  Insofern können Gewohnheiten aber auch eine Barriere für Veränderungen sein – nicht nur bei Mobilität, sondern beispielsweise auch bei der Ernährung und in weiteren Bereichen. Sie sind meist schwierig zu verändern. Indem wir sie erfassen, können wir ihren Einfluss gezielt analysieren und untersuchen, wie sie sich verändern. 

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    Das Fraunhofer ISI und das Verbundprojekt KAMO, in dessen Rahmen diese Studie angesiedelt ist, befinden sich in Baden-Württemberg. Insofern wissen wir aus anderen Studien schon viel über die Region. Mit Mecklenburg-Vorpommern haben wir eine weitere Region ausgesucht, die sich strukturell unterscheidet, weil wir uns davon neue Einsichten versprechen. So leben in Baden-Württemberg sehr viel mehr Menschen in Städten, während Mecklenburg-Vorpommern ländlich geprägt ist. Auch die Anbindung an den ÖPNV ist für die meisten Menschen in Baden-Württemberg besser als in Mecklenburg-Vorpommern. Hingegen weist Mecklenburg-Vorpommern vielerorts eine bessere Fahrradinfrastruktur auf.

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    Unsere Stichprobe repräsentiert die Bevölkerung in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf die Verteilung der Altersgruppen, der Geschlechter sowie der Regierungsbezirke (BW) bzw. Landkreise (MV). Indem zwei Drittel unserer Stichprobe aus Baden-Württemberg und ein Drittel aus Mecklenburg-Vorpommern kommen, tragen wir den unterschiedlichen Bevölkerungszahlen der beiden Bundesländer Rechnung. Die Teilnehmenden wurden über die Datenbank eines Marktforschungsinstituts kontaktiert und nahmen online an der Befragung teil. 

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    Wir haben eine Mischung angestrebt zwischen Maßnahmen, die sich bereits in der Umsetzung befinden (z. B. Deutschlandticket, Förderung des Aufbaus von Ladeinfrastruktur), Maßnahmen, die in der öffentlichen Debatte sehr präsent sind (z. B. Tempolimit, Abschaffung des Dienstwagenprivilegs) und weiteren Maßnahmen, die einen bedeutsamen Beitrag zur Förderung nachhaltiger Mobilität erzielen würden (z. B. autofreie Innenstädte, Inlandsflugverbot).

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    In den nächsten Befragungswellen interessiert uns weiterhin die Zustimmung zu oder Ablehnung von wichtigen politischen Maßnahmen. Wir untersuchen aber auch, ob sich die Akzeptanz in Abhängigkeit der Kombination der Maßnahmen oder zusätzlicher Informationen ändert. 

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    Auf dieser Seite sind immer die Ergebnisse der aktuell ausgewerteten Befragungswelle zu finden. Die Zahlen der vorherigen Wellen sind im Archiv zu finden und erlauben einen Gesamtüberblick über die im Projekt MobilKULT erhobenen Daten.

  • MobilKULT ist Teil von KAMO – High Performance Center / Profilregion (früher Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe). KAMO ist die zentrale Anlaufstelle in Karlsruhe für innovative Mobilitätslösungen für überregionale und internationale Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Das Karlsruhe Mobility Leistungszentrum steht für die interdisziplinäre Entwicklung und Begleitung zukunftsweisender Mobilitäts- und Logistiklösungen. Seit 2016 arbeiten hier Karlsruher Institutionen aus Forschung, Entwicklung und Lehre im Bereich Mobilität und Logistik zusammen und decken dabei alle Innovationsstufen und Entwicklungen im Mobilitätsbereich ab.​

    Dabei interessiert auch der gesellschaftliche Blick auf Veränderungen im Mobilitätsbereich. Dazu wurde nun aktuell eine Studie entwickelt, gesellschaftliche Entwicklungen im Mobilitätsbereich zu beobachten. Zu diesen wollen wir auch mit der Öffentlichkeit sowie unseren zahlreichen Kooperationspartner:innen in den Bereichen Mobilität und Logistik in Dialog treten.

Wir sind das Team von MobilKULT

Josephine Tröger

Contact Press / Media

Dr. Josephine Tröger

Projektleitung

Telefon +49 721 6809-594

Marvin Helferich

Contact Press / Media

Marvin Helferich

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Telefon +49 721 6809-368

Elisabeth Dütschke

Contact Press / Media

Dr. Elisabeth Dütschke

Leitung des Competence Centers Energiepolitik und Energiemärkte, Leitung des Geschäftsfelds Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems

Telefon +49 721 6809-159