FTI-Politik in 50 Jahren Fraunhofer ISI

Strategisch-konzeptionelle Entwicklung der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik

Die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik (FTI-Politik) hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach grundlegend gewandelt – hinsichtlich ihrer politischen Ziele, der Begründungen für staatliche Interventionen, der konzeptionellen und theoretischen Grundannahmen sowie der Instrumentierung. Der Beitrag im Sammelband zeichnet die zentralen Entwicklungslinien der FTI-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg in der OECD-Welt nach und betrachtet die wesentlichen Faktoren, welche die Veränderungen in diesem Politikfeld geprägt und vorangetrieben haben. Als analytischer Rahmen wird das Konzept der Policy-Paradigmen angewandt, welcher Ideen, Wissen und Diskursen eine wichtige Rolle in Prozessen des Politikwandels zuweist. Von besonderem Interesse sind die Wechselwirkungen zwischen den prägenden fachwissenschaftlichen Fundierungen und Erkenntnisfortschritten, den dominierenden Rationalitäten der FTI-politischen Interventionen und die sich wandelnde Rolle des Staates und der angewandten Politikinstrumente.

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten standen der Aufbau der Wissenschaftssysteme, die Förderung (grundlagenorientierter) Wissensgenerierung sowie die Adressierung von Marktversagen im Mittelpunkt der FTI-Politik. Die intellektuelle und konzeptionelle Fundierung dieses Policy-Paradigmas war überwiegend geprägt vom damaligen Mainstream der wirtschaftswissenschaftlichen Wohlfahrtstheorie sowie einem weitgehend linearen Verständnis des Innovationsprozesses.

Von Beginn an ging es ums »Innovationssystem«

Im Zuge der 1970er Jahre setzte eine allmähliche Neuorientierung der FTI-Politik ein. Das Ende der langen Wachstumsphase und steigende internationale Wettbewerbsintensität führten zu einer Revision wesentlicher Grundannahmen über die Natur des Innovationsprozesses, an dessen Ende der Aufstieg des Systemansatzes in der FTI-Politik stand. Bereits im Gründungsdokument des Fraunhofer ISI aus dem Jahr 1972 war vom »Innovationssystem« die Rede.

Besonders einflussreich war die Entwicklung eines komplexeren, nicht-linearen Verständnisses von Innovation und der herausragenden Rolle von Interaktionsprozessen zwischen heterogenen Akteuren des Innovationssystems. Folgerichtig lag nach diesem Verständnis die Hauptaufgabe der FTI-Politik in der Ertüchtigung des Innovationssystems.

Begründeten im Wesentlichen ökonomische Ziele wie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum staatliche Interventionen in den ersten beiden FTI-politischen Paradigmen, wurden diese primär ökonomischen Rationalitäten ab den 2000er Jahren zunehmend ergänzt und überlagert vom Ziel der Mobilisierung von Wissen, Technologie und Innovation zur Adressierung gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel. Fragen von Direktionalität von Forschung und Innovation und die wachsende Bedeutung einer gesellschaftlichen Bedarfsorientierung spiegeln sich etwa in neuen Politikansätzen wie der missionsorientierten oder transformativen Innovationspolitik wider.

Zentrale Aufgabe für die wissenschaftliche Politikberatung

In der Gesamtschau wird deutlich, dass ein Policy-Paradigma im Bereich der FTI-Politik nicht vollständig vom nächsten ersetzt wird, sondern wesentliche Rationalitäten und institutionelle Strukturen koexistieren und sich überlagern. Dieses »Policy-Layering« führt sowohl zu positiven Komplementaritäten, als auch zu teilweise widersprüchlichen Interventionslogiken und Policy-Mixes. Vor diesem Hintergrund stellt die Generierung von Beiträgen zur Entwicklung eines kohärenteren FTI-politischen Rahmens eine wichtige Zukunftsaufgabe für die wissenschaftliche Politikberatung dar.

Layout: Renata Sas; Icons: Anatolii Babii/creativemarket, Renata Sas