Ein Forschungsfeld, so alt wie das Fraunhofer ISI
Technikfolgenabschätzung (TA) ist ein interdisziplinäres Feld problemorientierter Forschung mit dem Ziel, frühzeitig das Aufkommen neuer Techniken zu erkennen, die damit einhergehenden gesellschaftlichen Chancen, Risiken und Herausforderungen zu identifizieren und im Hinblick auf den bestehenden bzw. künftig absehbaren Handlungsbedarf zu bewerten. Damit dient TA in erster Linie der Herstellung von Orientierungswissen für Entscheidungsprozesse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bezüglich des Umgangs mit neuen Techniken.
Als Forschungsfeld ist TA ungefähr so alt wie das Fraunhofer ISI. Das 50-jährige Jubiläum des Instituts nehmen wir zum Anlass, um die Entwicklungen der TA über diesen Zeitraum nachzuzeichnen.
Eine Angelegenheit für Expert:innen
In einer ersten Phase (1960er bis 1980er) stützten sich die TA-Verfahren vorwiegend auf die Kenntnisse und Einschätzungen von wissenschaftlichen Expert:innen im jeweiligen Technikfeld. Hier ging es beispielsweise um die Auswirkungen der Motorisierung und die zukünftige Entwicklung des Straßenverkehrs oder um die Nutzung von Solarenergie, aber auch um die Entwicklung geeigneter Methoden für die Analyse und Bewertung neuer Techniken (etwa zur Identifikation nicht-intendierter Nebenwirkungen).
In einer zweiten Phase (1980er bis 2000er) wurde zunehmend deutlich, dass es nicht ausreicht, TA-Verfahren ausschließlich auf die Expertise und Standpunkte von Personen aus dem etablierten Wissenschaftsbetrieb zu stützen. Vielmehr galt es, weitere politisch und gesellschaftlich relevante Perspektiven, Kenntnisse und Erfahrungen in die Analyse und Bewertung neuer Techniken einzubeziehen, sei es über Interessensvertretungen (sog. Stakeholder), alternative Forschungseinrichtungen, öffentlich geführte Diskurse oder über Bürgerinnen und Bürger wie etwa beim Projekt ADAPTA.
Ziel der verantwortungsvollen Gestaltung von Innovationen
In einer dritten, bis heute andauernden Phase (ab den 2000er Jahren) kommt je nach betrachteter Technik und gesellschaftlichem Diskussionsbedarf ein Mix der bislang erprobten TA-Verfahren zum Einsatz. Wichtige Themenfelder waren bisher beispielsweise das moderne biomedizinische Versprechen einer »Individualisierten Medizin« oder die Chancen und Risiken der Digitalisierung demokratischer Prozesse. Mehr denn je wird zudem versucht, frühzeitig auf die Technikentwicklungsprozesse Einfluss zu nehmen und damit zu einer verantwortungsvollen Gestaltung von technischen Innovationen beizutragen.
In Zukunft wird sich die TA und das Fraunhofer ISI verstärkt mit technikbezogenen Fragen der gesellschaftlichen Transformation in Richtung einer global gerechten und die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektierenden Lebensweise auseinanderzusetzen haben. Ob sich damit eine vierte Phase der TA abzeichnet, wird die Zukunft zeigen.