Wärmeplanung: Viel heiße Luft oder effektive Maßnahme?

von Markus Fritz, Anna Billerbeck und Ali Aydemir /

Das Fraunhofer ISI hat die bereits veröffentlichten Wärmepläne aus Baden-Württemberg analysiert und eine Auswertung der darin aufgeführten Maßnahmen vorgenommen. Die Erkenntnisse hieraus könnten für viele Kommunen in ganz Deutschland hilfreich und nützlich sein, weil bei der nun verpflichtenden Erstellung von Wärmeplänen noch viele Unsicherheiten bestehen und die Vorgaben im Wärmeplanungsgesetz manchmal unkonkret bleiben.

Seit 1. Januar 2024 ist das Wärmeplanungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz soll in Kombination mit dem Gebäudeenergiegesetz dazu führen, langfristig eine klimaneutrale Wärmeversorgung sicherzustellen. Aktuell ist die für Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und industrielle Anwendungen benötigte Wärme für etwa 55 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Im Jahr 2022 betrug der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor dagegen nur 18,2 Prozent.

Die aktuelle Bundesregierung strebt laut ihrem Koalitionsvertrag an, dass der Anteil an erneuerbaren Energien und Abwärme im Wärmesektor bis zum Jahr 2030 mindestens 50 Prozent betragen soll. Dieses Ziel wurde im Wärmeplanungsgesetz konkretisiert, wobei es speziell um die Nutzung erneuerbarer Energien und Abwärme in Fernwärmenetzen geht. Auch hier wird bis 2030 ein Anteil von 50 Prozent angestrebt.

Im Wärmeplanungsgesetz sind darüber hinaus nun verpflichtende Zielvorgaben für Wärmenetzbetreiber für die Jahre 2030 und 2040 festgelegt: Ab dem Jahr 2030 muss in allen Wärmenetzen der Anteil erneuerbarer Energien mindestens 30 Prozent betragen und ab dem Jahr 2040 mindestens 80 Prozent. Diese Ziele sind verbindlich und daher maßgebend für die Fernwärme.

Um diese Transformation der Wärmeversorgung zu unterstützen, werden durch das Wärmeplanungsgesetz alle Kommunen in Deutschland dazu verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung durchzuführen. Für Gemeinden mit über 100.000 Einwohner:innen muss ein Wärmeplan bis zum 30.06.2026, für jene mit unter 100.000 Einwohner:innen bis zum 30.06.2028 vorliegen.

Zum Kern des Wärmeplanungsgesetzes gehört auch die Ausweisung voraussichtlicher Wärmeversorgungsgebiete, um frühzeitig festzulegen und abzusehen, welche Gebiete sich für Fernwärme oder andere Versorgungsarten eignen. Für die Erreichung der genannten Ziele sollen zusätzlich nach §20 Umsetzungsstrategien erarbeitet werden. Allerdings ist nicht weiter angegeben, wie diese Umsetzungsstrategien konkret aussehen oder welche Maßnahmen diese Strategien enthalten sollen.

In Baden-Württemberg hat der Landtag bereits Ende 2020 eine Verpflichtung zur Wärmeplanung eingeführt und das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) entsprechend angepasst. Gemäß des Gesetzes müssen Kommunen ab 20.000 Einwohner:innen in Baden-Württemberg bis Ende 2023 Wärmepläne erstellen und dem zuständigen Regierungspräsidium vorlegen (§27  Abs. 3 KlimaG BW). Grundsätzlich sollen die Pläne auch im Internet veröffentlicht werden, jedoch kann dies auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen (§27 Abs. 5 KlimaG BW).

Neben der Nennung von Potenzialen für erneuerbare Energien und darauf aufbauend der Entwicklung von Szenarien für eine klimaneutrale Wärmeversorgung müssen die Kommunen mindesten fünf Maßnahmen zur Zielerreichung definieren (§27 Abs. 2 KlimaG BW). in einem Zeithorizont von fünf Jahren nach Abschluss des Wärmeplans muss zudem mit der Umsetzung der fünf Maßnahmen begonnen werden.

In diesem Kontext hat das Fraunhofer ISI die bereits veröffentlichten Wärmepläne aus Baden-Württemberg analysiert und eine Auswertung der darin aufgeführten Maßnahmen vorgenommen. Die Erkenntnisse hieraus könnten für viele Kommunen in ganz Deutschland hilfreich und nützlich sein, weil bei der nun verpflichtenden Erstellung von Wärmeplänen noch viele Unsicherheiten bestehen und die Vorgaben im Wärmeplanungsgesetz manchmal unkonkret bleiben.

© Fraunhofer ISI
Abbildung 1: Übersicht über genannte Maßnahmen in den veröffentlichen Wärmeplänen

181 Maßnahmen in 30 Wärmeplanen

Von den 104 betroffenen Kommunen in Baden-Württemberg haben bereits 30 ihren Wärmeplan im Internet veröffentlich. Die Analyse umfasst demnach also etwa ein Drittel der kommunalen Wärmepläne in Baden-Württemberg. Da die restlichen Pläne zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht im Internet veröffentlich waren, sind sie in der Analyse nicht berücksichtigt.

In Summe wurden 181 Maßnahmen in den 30 Wärmeplanen beschrieben. Hierbei ist zu beobachten, dass die Mehrheit der Kommunen die fünf geforderten Maßnahmen laut KlimaG BW erarbeitet haben. Einzelne Gemeinden, wie beispielsweise Bruchsal, Bretten, Heilbronn oder Waghäusel, haben sogar zehn oder mehr Maßnahmen beschrieben.

Die aufgeführten Maßnahmen lassen sich in die folgenden sechs Kategorien einteilen:

  1. Machbarkeitsstudien
  2. Effizienzsteigerung und Sanierung von Gebäuden
  3. Ausbau und/oder Transformation von Wärmeversorgungsnetzen und/oder Nutzung ungenutzter Abwärme
  4. Ausbau und/oder Transformation erneuerbarer Wärmeerzeugung
  5. Ausbau und/oder Transformation erneuerbarer Energien
  6. Strategische Planung und Konzeption

Abbildung 1 zeigt, wie häufig die jeweiligen Maßnahmen der sechs Kategorien in den Wärmeplänen beschrieben wurden: Die am häufigsten genannte Maßnahme umfasst den Ausbau und die Transformation von lokalen Fernwärmenetzen. Dabei liegt ein Fokus auf der Einbindung ungenutzter Abwärmepotenziale beispielsweise aus der Industrie. Am zweithäufigsten wurden Machbarkeitsstudien und -analysen in den Wärmeplänen als Maßnahmen beschrieben. Hierunter aufgeführt sind die Untersuchung regionaler Energiepotenziale sowie vereinzelt die Analyse zukünftiger Anforderungen an das lokale Stromnetz. In der Mehrheit der Wärmepläne wurden zudem Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und zu klimafreundlichen Heizsystemen in Gebäuden beschrieben. Maßnahmen wie strategische Planung und Konzeption wurden im Vergleich seltener genannt. 

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Abbildung 2: Übersicht über das Ambitionsniveau der Maßnahmen in den veröffentlichen Wärmeplänen

Wie ambitioniert sind die Maßnahmen?

Um das Ambitionsniveau der Maßnahmen in den Wärmeplänen zu analysieren, wurde eine Einteilung in kleine, moderate und große Maßnahmen vorgenommen: Kleine Maßnahmen adressieren einzelne Gebäude und demnach beispielsweise die Renovierung oder den Austausch der Heizung in einem einzelnen Gebäude. Moderate Maßnahmen umfassen dagegen Quartiere und damit beispielsweise die serielle Sanierung von mehreren Gebäuden. Große Maßnahmen betreffen große Anlagen und Vorhaben, wie beispielsweise die Erschließung geothermischer Potenziale oder den Neubau eines Wärmenetzes. 

Abbildung 2 gibt eine Übersicht über das Ambitionsniveau der aufgeführten Maßnahmen. In den zwei Kategorien (1) Machbarkeitsstudien sowie (6) Strategische Planung und Konzeption sind vorwiegend kleine Maßnahmen beschrieben. Dies deutet darauf hin, dass in diesen Bereichen der Schwerpunkt eher auf vorläufigen Bewertungen und konzeptioneller Planungen als auf der Durchführung und Umsetzung konkreter Vorhaben liegt. Im Gegensatz dazu lassen sich die Maßnahmen aus dem im Bereich (3) Ausbau und/oder Transformation von Wärmeversorgungsnetzen mehrheitlich als groß einstufen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen dieser Kategorie liegt auf substanziellen Vorhaben wie dem Aufbau neuer Fernwärmenetze oder dem Bau von Großanlagen zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien. Diese großen Maßnahmen sind entscheidend, um den Um- und Ausbau von Fernwärmenetzen voranzutreiben und die Nutzung erneuerbarer Wärmequellen zu erhöhen. In der Kategorie (5) Ausbau und/oder Transformation erneuerbarer Energien ist die am häufigsten genannten Maßnahme die Installation von Photovoltaikanlagen (PV) auf Dächern und Freiflächen. Dies unterstreicht die Anerkennung der Photovoltaik als Schlüsseltechnologie für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. 

Heiße Luft oder effektiv? Eine kritische Einordnung der Ergebnisse

Zunächst einmal zeigt die vorliegende Untersuchung, dass zahlreiche Maßnahmen sehr substanzieller Natur in den Wärmeplänen auffindbar waren, wie zum Beispiel der Ausbau von Wärmenetzen. Inwiefern das Instrument der Wärmeplanung ein weiterer Anreiz zu bestehenden Instrumenten (Gebäudeenergiegesetz, Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, ...) sein kann, lässt sich nicht beziffern. Schließlich handelt es sich bei der Planung nicht um monokausale Prozesse, sondern um komplexe Vorgänge, bei denen Menschen mit unterschiedlichen Motivationen zusammenwirken.

Aus Interviews, die im Rahmen des EU-geförderten Projekts Act!onHeat geführt wurden, geht jedoch hervor, dass die Wärmeplanung dazu beiträgt, die Wärmewende in den Kommunen auf die Tagesordnung zu setzen und hier strukturierend wirkt: Die Fachabteilungen müssen gemeinsam auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten. Dennoch war im Rahmen der vorliegenden Analyse immer wieder festzustellen, dass es oft auf motivierte Einzelpersonen ankommt, um bestimmte Maßnahmen anzugehen und umzusetzen. Dies unterstreicht aber, dass das Instrument eine anregende, aktivierende Wirkung hat.

Was muss also getan werden, damit das Instrument der Wärmeplanung auch effizient wirkt und nicht zum Papiertiger mutiert? Wird die Umsetzung der Maßnahmen überwacht? Und falls ja, was ist hier angebracht? Die letzte Gewissheit ist hier sicher noch nicht abschließend gefunden.

Lange erprobt ist das Instrument der Wärmeplanung bisher in Dänemark, hier allerdings vor dem Hintergrund eines anderen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmens: Dort wurde die Wärmeplanung bereits in den 80er Jahren als Reaktion auf die Ölkrise eingeführt, zunächst mit einem Fokus auf Resilienz, der sich zunehmend in Richtung Klimaschutz weiterentwickelt hat.

Es stellt sich also durchaus die Frage, inwieweit sich bestehende Methoden und Vorgehensweisen aus anderen Ländern einfach übernehmen oder anpassen lassen, um den harten Anforderungen der Klimaschutzzielarchitektur gerecht zu werden. Hier sind das Kompetenzzentrum für die kommunale Wärmewende (KWW) in Halle und regionale Energieagenturen erste Anlaufstellen für Kommunen in Deutschland.

Auch ein Blick ins Ausland kann helfen, zumindest erste Ideen für mehr Unterstützung der Kommunen zu bekommen. So wird zum Beispiel im Forschungsprojekt »Spatial Energy Planning« in Österreich ein Datengerüst für die Pilotregionen Salzburg, Steiermark und Wien entwickelt, das den Anforderungen der Wärmeplanung gerecht wird und den Kommunen erheblichen Aufwand bei der Datenbeschaffung erspart. Das Feld bleibt also weiterhin spannend.

Fazit

Seit dem 1. Januar 2024 ist das neue Wärmeplanungsgesetz in Kraft, das die deutschen Kommunen dazu verpflichtet, bis spätestens Mitte 2026 beziehungsweise 2028 konkrete Wärmepläne vorzulegen. In Baden-Württemberg gibt es bereits seit Ende 2020 eine solche Verpflichtung für Kommunen, ihre Wärmepläne offenzulegen. Dem kamen bisher etwa ein Drittel der Kommunen im Bundesland nach.

Eine Analyse von Expert:innen des Fraunhofer ISI hat diese bereits existierenden Wärmepläne näher untersucht und daraus Rückschlüsse gezogen, die für alle deutschen Kommunen relevant und bei der Erstellung von Wärmeplänen hilfreich sein könnte.

Insgesamt trägt die Analyse zum Verständnis der kommunalen Wärmeplanung bei, indem sie wertvolle Einblicke in die vorgeschlagenen Maßnahmen und Handlungsfelder sowie in konkretere Vorhaben liefert. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, eine breite Palette von Maßnahmen auszuarbeiten, die auf den jeweiligen lokalen Kontext und die regionalen Bedingungen zugeschnitten sind, um eine nachhaltige und effiziente Wärmeversorgung zu erreichen.

Die Analyse der 30 vorliegenden Wärmepläne zeigt mehrere zentrale Ergebnisse: Zum einen adressiert die Mehrheit der Maßnahmen den Ausbau und die Transformation von Fernwärmenetzen, was die zentrale Rolle von Fernwärme in der Wärmeplanung unterstreicht. Zweitens werden in den Kategorien Machbarkeitsstudien sowie Strategische Planung und Konzeption überwiegend kleinere Maßnahmen vorgeschlagen. Größere, ambitionierte Maßnahmen sind eher in den Kategorien Fernwärme und Abwärme zu finden.

Die Analyse zeigt zudem, dass die Anzahl der vorgeschlagenen Maßnahmen von Gemeinde zu Gemeinde stark variiert: Einzelne Gemeinden haben mehr als zehn Maßnahmen ausgearbeitet, während die Mehrheit lediglich die fünf geforderten Maßnahmen beschrieben hat. Die Untersuchung unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenderen Analyse der verbleibenden Wärmepläne sowie die Einbeziehung von Folgenabschätzungen.

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