Diversität für erfolgreiche Forschung und Innovation

Am 28.05.2024 ist Deutscher Diversity-Tag. Geschlecht, Alter, Herkunft, Kultur, Einkommen, sexuelle Orientierung, Interessenslagen, Fähigkeiten oder Bildungsstand: Vielfalt hat zahlreiche, sich überschneidende Dimensionen. Die jüngere Innovationsforschung richtet ihren Blick auf die verschiedenen Dimensionen, die während und sogar vor der Entwicklung der Innovation berücksichtigt werden sollen. Das Fraunhofer ISI forscht nicht nur in heterogenen Teams, sondern macht Diversität selbst zum Untersuchungsgegenstand. Diversität ist ein Thema, welches über alle Forschungsfragen und -prozesse hinweg hinterfragt werden soll.

Die hohe Bedeutung heterogener Teams für Forschung und Innovation ist seit Jahren bekannt. In zahlreichen Analysen konnte belegt werden, dass mit steigender Diversität der Forschenden auch die Innovationsfähigkeit steigt. Während sich das klassische Forschungsinteresse auf die Analyse von Ungleichheiten in Forschung und Innovation konzentrierte, insbesondere in den MINT-Bereichen, richtet sich der Fokus jüngerer Innovationsforschung verstärkt auch auf die Fragen nach der Diversität der Forschungsthemen selbst und nach deren spezifischen Fragestellungen.

Etwa innerhalb der Transitionsforschung – also der Untersuchung des Umbaus des Energiesystems, der Mobilität oder auch der Produktionsprozesse – birgt eine Verschiebung der Blickwinkel enorme Potenziale. Um erfolgreiche und gerechte Transition zu erreichen, müssen die Forschenden die unterschiedlichen Diversitätsdimensionen wie Geschlecht, Einkommen und geografische Lage sowie deren Überschneidungen schon bei der Entwicklung der Forschungsfrage berücksichtigen. »Derzeit ist die Transitionsforschung in einigen Aspekten divers, aber es fehlt ein breiterer Rahmen hierfür und es gibt noch viel Potenzial, zum Beispiel in der Forschung zur Energiewende. Daher sind Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion Themen, die wir in Forschungsfragen angehen und mit denen wir bestehende Prozesse hinterfragen«, so Dr. Sabine Preuß, Projektleiterin im Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte und zugleich Beauftragte für Chancengleichheit am Fraunhofer ISI.

Geschlechtsbezogene Daten

Ein beispielhaftes Forschungsobjekt in diesem Sinne sind die Arbeiten zu Gendering von Forschungs- und Innovationsdatensätzen, an welchen Wissenschaftler:innen mehrerer Competence Center des Fraunhofer ISI beteiligt sind.

Die Forschenden analysieren nicht nur die weiterhin bestehende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Wissenschaft, sondern die über die Unterrepräsentation von Frauen weit hinausreichenden Auswirkungen. »Die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit wirkt sich darauf aus, wie Forschungskarrieren aufgebaut werden oder auch welche Themen und wessen Bedürfnisse in Forschung und Innovation behandelt werden. Ein Problem etwa ist das Fortbestehen fest verwurzelter Geschlechterstereotypen, geschlechtsspezifischer Rollen und Erwartungen im Umfeld von Forschung und Innovation«, so Dr. Maria Karaulova, Wissenschaftlerin im Competence Center Innovations- und Wissensökonomie des Fraunhofer ISI. Die geschlechtsblinden Flecken blieben in bisherigen Datenauswertungen oft unbemerkt, beeinflussen jedoch alle Aspekte von Forschungs- und Innovationsprozessen; von der Frage, wer innovieren darf, bis hin zu der Frage, wer von Innovationen profitiert. Die Analyse geschlechtsblinder, geschlechtssensibler oder auch geschlechtsspezifischer Datensätze hat daher vielfache Implikationen. Die Möglichkeit, Überlegungen darüber anzustellen, was ein Datensatz tatsächlich zeigt – beziehungsweise nicht zeigt – bieten erst geschlechtstransformative Datensätze. Sie schaffen die Grundlage für Analysen, die das Potenzial haben, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen. Solche Analysen waren in früheren Datenrahmen nicht durchführbar.

Einen Beitrag dazu, das Wissenschafts- und Innovationssystem weiter zu stärken und die Potenziale von Frauen noch besser zu nutzen, leistet beispielsweise das Horizon Europe-Projekt INSPIRE, an welchem das Fraunhofer ISI beteiligt ist. INSPIRE ist ein nachhaltiges Exzellenzzentrum mit besonderem Schwerpunkt auf integrativen Gleichstellungsplänen. Es bringt Spitzenwissen, ehrgeizige politische Ansätze und innovative Praktiken zusammen, um Akteurinnen und Akteuren die Möglichkeit zu geben, mit Institutionen und politischen Entscheidungsträger:innen in Kontakt zu treten.

Gleichstellung in der Wissenschaft

Eine verstärkte Sensibilisierung für Gleichstellung und Diversität bringt eine neue Perspektive. Zugleich sollte aber auch der Fokus auf die klassische Fragestellung nach der Ungleichstellung nicht aus den Augen verloren werden, etwa hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter. Obwohl das deutsche Forschungs- und Innovationssystem über substanzielle Forschungs- und Innovationskapazitäten verfügt, ist es seit langem dadurch charakterisiert, dass die Beteiligung von Frauen im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Hier spielen strukturelle Aspekte und existierende Stereotype eine Rolle. Auch der 2006 geschlossene Pakt für Forschung und Innovation zwischen den großen Forschungsorganisationen und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) konnte bis dato wenig daran ändern. Hinsichtlich des Frauenanteils in der Wissenschaft steht Deutschland im internationalen Vergleich eher am unteren Ende des Rankings. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen erreichen hier immerhin vergleichsweise gute Werte. Erfreulich ist die Entwicklung der Indikatoren, die einen ansteigenden Trend aufzeigt.

Das Fraunhofer ISI forscht nicht nur zu Diversität, sondern ist selbst auch divers. Der Anteil von Frauen und Männern im Institut hält sich etwa die Waage. Unsere Teams sind international aufgestellt und ausgerichtet. Mehr als 15 Prozent unserer Mitarbeiter:innen haben einen ausländischen Pass. Die Hälfte davon stammt aus dem europäischen Ausland, die andere Hälfte nahezu zu gleichen Teilen aus Asien und den beiden amerikanischen Kontinenten.

Wir arbeiten am Fraunhofer ISI stetig daran, die Innovationsfähigkeit und Performance von Organisationen, Unternehmen oder ganzen Volkswirtschaften voranzubringen, Gender- und Diversitätsdimensionen abzubilden und auch daran, die eigenen Teams weiterhin divers zu gestalten. Forschung und Innovation brauchen Diversität.

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Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

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