Abschätzung der makroökonomischen Auswirkungen der öffentlichen Forschung – Begreifen und Bewältigung der methodologischen Herausforderungen

von Torben Schubert /

Hintergrund

Die Abschätzung der makroökonomischen Auswirkungen von Investitionen in öffentliche Forschung und Innovation ist für Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und die breite Öffentlichkeit von zentralem Interesse. Viele Studien haben sich damit befasst, diese Erträge zu quantifizieren, und sind dabei häufig zu dem Ergebnis gekommen, dass sie in Bezug auf das BIP, die Beschäftigung, die Investitionen und die Steuereinnahmen (Roy et al. 2021) erhebliche Auswirkungen haben (Carree et al. 2014, Jones und Summers 2020, Comin 2021). Zwei sehr aktuelle Beispiele von Schubert (2021) und Allan et al. (2022) analysieren den Fall von Fraunhofer als der größten Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa. Eine der zentralen Erkenntnisse dieser Studien war, dass eine Erhöhung des Fraunhofer-Budgets um einen Euro das BIP um 21 Euro erhöht.

Solche monetarisierten Abschätzungen scheinen auf ein hohes Maß an Präzision hinzudeuten. Da es sich bei modernen Volkswirtschaften jedoch um unglaublich komplexe Systeme handelt, ist die Abschätzung solcher makroökonomischen Auswirkungen keineswegs trivial und erfordert Modellierungsannahmen und -entscheidungen, die die Ergebnisse mehr als nur geringfügig beeinflussen können. Dies wirft eine Reihe von Fragen auf: Wie genau sind diese Abschätzungen? Wie stark hängen die Abschätzungen von den Modellierungsannahmen ab? Können Politiker:innen voraussichtlich weitreichende Haushaltsentscheidungen vernünftigerweise auf solche Zahlen stützen?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, ist es wichtig, die methodologischen Herausforderungen besser zu begreifen, denen sich die Wissenschaftler:innen stellen müssen, die solche Abschätzungen vornehmen. Die Erläuterung der zentralen Herausforderungen ist der Zweck dieses Blogbeitrags, der darauf abzielt, die Lesenden als Empfänger:innen und Nutzer:innen solcher Zahlen für die Möglichkeiten und Fallstricke bei der Arbeit mit ihnen zu sensibilisieren. Ich werde insbesondere Argumente dafür vorlegen, dass solche Zahlen niemals als präzise Schätzungen verstanden werden sollten, die bis auf die letzte Ziffer gelten. Vielmehr geben die Zahlen, sofern die Studien gut durchgeführt werden, eine große Spannbreite an. Daher ist es wichtig, dass solche Studien angemessene Robustheitsprüfungen enthalten, die die wichtigsten Modellierungsannahmen untersuchen. Auf diese Weise geben sie den Lesenden eine ehrliche Auskunft darüber, wie sehr die Ergebnisse von den Modellierungsannahmen abhängen und wo folglich die Grenzen der Auslegungen liegen.

Die größte Herausforderung – die Abhängigkeit von Beobachtungsdaten

Die empirische Bestimmung der Auswirkungen von öffentlicher Forschung auf die Wirtschaft muss sich auf Beobachtungsdaten ("Felddaten") stützen, d. h. auf Daten, die nicht randomisiert sind, wie es bei klinischen Studien der Fall wäre. Die Schätzung der kausalen Wirkungen auf der Grundlage von Felddaten erfordert größte statistische Sorgfalt, die Anwendung moderner statistischer Methoden und detaillierte ökonomische Kenntnisse über die Prozesse, die öffentliche Forschung mit wirtschaftlichen Folgen verbinden. Ausgehend von den Fraunhofer-Studien von Schubert (2021) und Allan et al. (2022) werde ich einen Überblick über einige der wichtigsten Einwände und Herausforderungen geben und dann erläutern, wie die Studien mit diesen Problemen umgegangen sind:

Der Fraunhofer-Effekt ist im Vergleich zu anderen Arten von öffentlichen Investitionen unverhältnismäßig groß: Studien, die sich allein der Abschätzung der Konsum- oder Investitionseffekte öffentlicher Forschung widmen, finden nur bis zu 2 Euro für jeden ausgegebenen Euro. Diese Studien lassen jedoch die Wissenseffekte und damit die Innovation außer Acht. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Erträge aus Innovationen erheblich sind und die ursprünglichen Investitionskosten typischerweise um ein Vielfaches übersteigen – bei vernünftigen Parametrisierungen um das Zehn- bis 25-fache (vgl. z.B. Jones und Summers 2020). Die Studie zum ökonomischen Wert der Fraunhofer-Gesellschaft (Schubert 2021) kommt auf ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:21, was der Größenordnung entspricht, die in der Literatur zum ökonomischen Wert von F&E von Jones und Summers (2020) gefunden wurde. Noch größere Effekte werden von Comin (2021) festgestellt. Da alle genannten Studien auf völlig unterschiedlichen makroökonomischen Modellierungsansätzen beruhen, verleiht die Tatsache, dass sie in ihrer Größenordnung konsistente Ergebnisse zeigen, den Gesamtergebnissen Glaubwürdigkeit.

Anstatt ein höheres BIP zu verursachen, könnte Fraunhofer vor allem in wirtschaftlich starken Regionen angesiedelt sein. Dieses Argument bezieht sich auf das, was Ökonometriker als umgekehrte Kausalität bezeichnen. In diesem Fall würde Fraunhofer nicht zu einem Anstieg des BIP führen, sondern wird von Regionen mit hohem BIP angezogen. Um solche Probleme zu überprüfen, setzen Statistiker komplexe statistische Modelle ein, die derartige Schätzfehler korrigieren. In den Studien von Schubert (2021) und Allan et al. (2022) wurde eine Reihe moderner Verfahren eingesetzt, um mögliche umgekehrte Kausalität zu berücksichtigen; einschließlich, aber nicht beschränkt auf Methoden, die homogenisierte "Kontrollregionen" schaffen, die in ihren wirtschaftlichen Merkmalen ähnlich sind. Durch die Anwendung dieses Ansatzes ist es möglich, den Effekt auszuschließen, dass sich Fraunhofer potenziell starke Wirtschaftsregionen aussucht. In der Tat zeigen die Ergebnisse dieses Ansatzes, dass ein Euro an Fraunhofer-Ausgaben das BIP um 18 Euro erhöht, was etwas niedriger ist als die ursprünglichen 21 Euro ohne diese Kontrolle. Die Studien haben also gezeigt, dass Standortentscheidungen die Ergebnisse zwar beeinflussen, aber nicht so stark, dass sie die Schlussfolgerung entkräften würden, dass Fraunhofer-Ausgaben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Immerhin betragen diese Effekte immer noch mindestens 18 Euro.

Die Effekte resultieren möglicherweise nicht aus den Fraunhofer-Aktivitäten, sondern aus nicht erfassten Aktivitäten von Universitäten in der Region. Dies ist ein Beispiel für das Versäumnis, relevante Kontrollvariablen einzubeziehen. Das Ergebnis dieses Versäumnisses wäre, dass ein Effekt, der den Universitäten zugeschrieben werden sollte, empirisch fälschlicherweise Fraunhofer zugeschrieben wird. Allan et al. (2022) gehen dieses Problem insbesondere dadurch an, dass sie die regionale Präsenz von Universitäten berücksichtigen. Dieser Ansatz stellt sicher, dass der geschätzte Fraunhofer-Effekt tatsächlich das Ergebnis von Fraunhofer selbst ist und nicht vollständig durch Universitäten in derselben Region erklärt werden kann. Die Effekte für Fraunhofer sind weitgehend unverändert. Dies bedeutet nicht, dass Universitäten keine Rolle spielen – das Gegenteil ist der Fall, wie in Schubert und Kroll (2016) gezeigt wird. Es bedeutet jedoch, dass der Fraunhofer-Effekt von 21 Euro nicht auf eine falsche Zuordnung zurückzuführen ist, die sich daraus ergibt, dass die regionale Präsenz von Universitäten nicht berücksichtigt wird.

Ein großer Teil der wirtschaftlichen Effekte von Fraunhofer strahlt auf andere Regionen aus und bleibt somit unberücksichtigt. Es ist allgemein bekannt, dass ein großer Teil der wirtschaftlichen Effekte der öffentlichen Forschung nicht ortsgebunden ist. Tatsächlich liefern Schubert und Kroll (2016) konsistente Belege für die Rolle von Spillover-Effekten im Falle von Universitäten. Während die Fraunhofer-Studie diesen Effekt nicht berücksichtigt, würde die Einbeziehung von solchen Spillovers zu noch größeren Effekten führen, da diese logischerweise zu den geschätzten lokalisierten Effekten hinzukommen würden. Die geschätzten lokalen BIP-Effekte der Fraunhofer-Studie können daher als Untergrenze betrachtet werden.

Schlussfolgerung

Schätzungen der Auswirkungen von öffentlicher Forschung stützen sich auf Beobachtungsdaten. Die Analyse von Beobachtungsdaten ist jedoch mit besonderen statistischen Herausforderungen verbunden. Der Umgang mit solchen Herausforderungen ist der Schlüssel zur Gewährleistung einer hohen Qualität und Zuverlässigkeit der Studien. Robustheitsprüfungen zeigen in der Regel, dass die geschätzten Auswirkungen nicht auf den Punkt genau sind. In gut konzipierten Studien liefern Robustheitsüberprüfungen jedoch untere und obere Grenzen für die Effekte. Diese Robustheitsprüfungen sollten sich mit wichtigen Problemen wie umgekehrter Kausalität, Standortwahl oder Störmechanismen befassen, die möglicherweise zu einer falschen Zuordnung der Effekte führen. In den Studien von Schubert (2021) und Grant et al. (2022) lag die Spanne zwischen 18 und 29. Diese Spanne ist zweifellos groß. Aber selbst wenn man von der konservativsten Schätzung ausgeht, sind die Auswirkungen immer noch sehr groß und wirtschaftlich erheblich. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die geschätzten Erträge der Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrem primären Bezug zur angewandten Forschung in ihrer Höhe ökonomisch plausibel sind. In der Tat machen die Ergebnisse deutlich, dass die anwendungsorientierte Forschung insgesamt und die Rolle von Fraunhofer im Besonderen in der gegebenen Akteurskonstellation in Deutschland ein enormes wirtschaftliches Potenzial haben. Staatliche Investitionen in diesem Bereich sind daher ein wesentlicher Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des deutschen Innovationssystems. 

Referenzen

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