Oberleitung und Schnellladen sollten gemeinsam gedacht werden

von Patrick Plötz /

Um die Klimaziele zu erreichen, steht der Verkehrssektor unter großem Druck: Der Straßengüterverkehr ist für mehr als ein Drittel der nationalen Treibhausgasemissionen im Verkehr verantwortlich und damit der zweitgrößte Emittent – und angesichts eines kontinuierlich zunehmenden Güterverkehrs ist die Tendenz eher steigend. Schwere Lkw, also Last- und Sattelzüge, spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Angesichts beschränkter Verlagerungspotenziale auf Schiene und Schiff sind dringend Alternativen wie beispielsweise Elektro-Lkw oder Brennstoffzellen-Lkw erforderlich, die einen baldigen Wandel zu einem klimaneutralen Güterverkehr auf der Straße ermöglichen.

Derzeit planen viele Hersteller die Serienproduktion von Batterie-Lkw und führen erste Fahrzeugmodelle ein, aktuelle Prognosen sagen eine erhebliche Marktdurchdringung bis 2030 voraus. Neben dem regelmäßigen Laden im Depot benötigen Elektro-Lkw zusätzliche Infrastruktur zum Nachladen für ihren Einsatz im Fernverkehr. Derzeit werden Hochleistungsladen und Oberleitungen als Infrastrukturen für Elektro-Lkw im Fernverkehr diskutiert und getestet.

Eine Grundausstattung mit Schnellladestationen entlang des Fernstraßennetzes ist aufgrund der anstehenden Markteinführung batterieelektrischer Lkw sinnvoll, und damit auch ein zügiger Aufbau einer solchen Infrastruktur in der Einführungsphase elektrischer Lkw. Mittelfristig bietet bereits die Teileelektrifizierung von Autobahnen mit Oberleitungen die Möglichkeit, batterieelektrische Lkw während der Fahrt zu laden und den Ausbau von Schnellladestandorten zu reduzieren, insbesondere aufgrund der teilweise geringen Platzverfügbarkeit für Lkw an Raststätten und um auch außerhalb der gesetzlichen Pausenzeiten zu laden. Oberleitungsinfrastruktur kann zudem auf stark befahrenen Strecken helfen, die Skalierbarkeit von Batterieantrieben im Fernverkehr zu verbessern, indem die benötigte Anzahl und Größe von Schnellladestationen sowie betriebliche Restriktionen (Ladezeiten) reduziert werden.

Beide Infrastrukturen können sich also positiv ergänzen und gemeinsam ein leistungsfähiges und skalierbares System zur Stromversorgung schwerer Lkw bilden: Werden Oberleitungen und Hochleistungsschnellladen zusammengedacht, können die Vorteile beider Systeme genutzt werden.

© Eigene Berechnung, Kartenhintergrund: GeoBasis-DE / BKG 2020
Mögliches gemeinsames Schnelllade- und Oberleitungsnetz

In den kommenden Jahren werden voraussichtlich beide Infrastrukturen für den Fernverkehr in kleiner Menge ausgebaut. Bereits in der Erprobungsphase, die bis 2025 dauern sollte, könnten Synergien auf Seiten der Fahrzeuge oder des Infrastrukturausbaus genutzt werden, beispielsweise ein gemeinsamer Anschluss an das Stromnetz.

Ab 2025 bis 2030 könnten Schnellladestationen und Oberleitungen dann in größerem Maßstab parallel errichtet werden. Oberleitungen könnten dann zunehmend auch als Ladeinfrastruktur für rein elektrische Lkw verwendet werden, in diesem Zusammenhang sollte auch die Möglichkeit einer Nachrüstung von Batterie-Lkw mit Stromabnehmern geprüft werden. Ab 2030 könnte recht schnell eine nennenswerte Auslastung der Oberleitungsinfrastruktur erfolgen. Wenn Elektro-Lkw in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre dann eine zentrale Rolle einnähmen und ein Basisnetz von Ladestationen in Europa vorhanden wäre, könnte der Ausbau von Oberleitungen in die Breite gehen und sukzessiv das wichtigste Drittel des Europäischen Autobahnnetzes abdecken. Mit dieser gemischten Infrastruktur wären auch gering ausgelastete Strecken abgedeckt. Die Abbildung zeigt ein mögliches gemeinsames Netz von Oberleitungen und Schnelladestationen.

Eine ausführliche Darstellung der Potenziale – auch im Hinblick auf Akzeptanz und Abläufe im Lkw-Betrieb – gibt es in unserer Publikation »Infrastruktur für Elektro-Lkw im Fernverkehr. Hochleistungsschnelllader und Oberleitung im Vergleich«.

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