Soziale Medien, die Jugend und der Konsum: Wie beeinflussen Influencer:innen das Konsumverhalten von Jugendlichen?

von Dr. Dorien Duffner-Korbee /

Der Konsum sozialer Medien ist unter Jugendlichen weit verbreitet. Der Großteil der sozialen Medien wird passiv konsumiert, indem Beiträge angesehen oder gelikt werden. Der Konsum von sozialen Medien führt jedoch auch zum Kauf von Produkten. Eine besondere Form von Social-Media-Inhalten wird von »Social-Media-Influencer:innen« erstellt, die dafür bezahlt werden, Produkte und bestimmte Lebensstile zu bewerben. Dies wird oft als Risiko dargestellt, da es sich negativ auf das Kaufverhalten und das Wohlbefinden von Jugendlichen auswirkt. Das FAIR_V-Projekt untersucht den Einfluss von Influencer:innen in den sozialen Medien auf Jugendliche, um Strategien zur Verbesserung der Resilienz von Jugendlichen zu entwickeln und damit Fehlkonsum zu reduzieren.

Eine Person mit langen Harren hält ein Handy in der Hand
© Unsplash/Tim Mossholder
Das FAIR_V-Projekt untersucht den Einfluss von Influencer:innen in den sozialen Medien auf Jugendliche.

Das FAIR_V Projekt startete im Januar 2022 mit der Universität Mannheim (Prof. Tobias Vogel und Aaron Heinz) und der Hochschule Darmstadt (Dr. Tamara Marksteiner und Josephine Jahn) als Partner. Ziel des Projekts ist es, den Einfluss von Social-Media-Influencer:innen auf das Konsumverhalten von Jugendlichen zu verstehen.

Dies wird sowohl durch qualitative Interviews mit Jugendlichen und Expert:innen als auch durch eine quantitative Studie unter 1000 Jugendlichen untersucht. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse soll ein Interventionshandbuch entwickelt werden, um die Resilienz von Jugendlichen gegenüber Social-Media-Influencer:innen zu stärken und dadurch negative Auswirkungen, wie z. B. Fehlkonsum, zu verringern.

Welche Rolle spielen Social-Media-Influencer:innen für das Konsumverhalten von Jugendlichen?

Social-Media-Influencer:innen dienen auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram als Vorbilder und leben indirekt vor, was man anzieht, isst und trinkt oder sich verhält, um sozialen Anschluss zu erhalten. Sie geben somit entgeltlich oder unentgeltlich über soziale Normen vor, welche Produkte konsumiert werden sollen.

Um ein Verständnis für die Reichweite und Wirkung deutscher Social-Media-Influencer:innen zu bekommen, haben wir sie nach der Anzahl ihrer Follower:innen-Zahl auf verschiedenen Plattformen (Instagram, YouTube, TikTok), ihrer thematischen Ausrichtung, ihrer Zielgruppe und ihrem Sponsoring kategorisiert. Influencer:innen mit Nischenthemen haben einen geringeren Marktwert, da sich ihre Themen schlechter monetarisieren lassen als Themen, bei denen die Vorstellung von Produkten ein elementarer Bestandteil ist.

Ein entscheidender Aspekt für das Ausmaß des Einflusses ist der Grad der zugeschriebenen Authentizität. Influencer:innen sind am ehesten dann erfolgreich, wenn sie für Marken werben, die zu ihrem Image und ihren Themen passen. Sie schaffen Nähe durch persönliche Geschichten und Einblicke in ihren Alltag und nutzen – intuitiv oder gezielt – Marketing-Insights, um Marken aufzubauen und auf sich selbst zu übertragen. Dieser Mechanismus wird auch von unseren Befragten beschrieben. Sie berichten, dass Influencer:innen oft Produkte von Marken bewerben, von denen sie nicht gesponsert werden, was die Empfehlung umso authentischer erscheinen lässt. Wenn diese Influencer:innen die Aufmerksamkeit dieser Marken auf sich ziehen und zu einem späteren Zeitpunkt für das Sponsoring genau dieser Produkte bezahlt werden, wird diese Werbung als ebenso authentisch und seriös wahrgenommen wie die vorherige »freiwillige« Werbung.

Wie Einflüsse in sozialen Medien bei Jugendlichen tatsächlich zu Kaufentscheidungen führen

Der Grad des Vertrauens in Influencer:innen stärkt die Konsumentscheidungen. Unsere Befragten geben an, dass sie nur Produkte gekauft haben, die von Influencer:innen beworben wurden, denen sie schon seit einiger Zeit folgten. Außerdem nehmen die Jugendlichen ihre Beziehungen zu diesen Influencer:innen als sehr persönlich wahr. Nach Angaben unserer Befragten haben sie sich besonders zu Beginn ihres Social-Media-Konsums im jungen Alter (13–14 Jahre) sehr beeinflusst gefühlt.

Zwei Faktoren sind wichtig, um den Einfluss von Social-Media-Influencer:innen abzuschwächen. Erstens führen Produktempfehlungen von Influencer:innen allein nur selten zu einer Kaufentscheidung; es besteht vielmehr ein Bedarf an zusätzlichen Meinungen von Personen, die ihnen nahestehen. Außerdem wird der Kauf von beworbenen Produkten oft durch Peer-Pressure und dem Gefühl der Zugehörigkeit motiviert. Daher ist es wahrscheinlicher, dass sich die von Social-Media-Influencer:innen verbreiteten Meinungen, die mit den Ansichten der Gleichaltrigen übereinstimmen, durchsetzen. Zweitens ist die Mehrheit nicht in der Lage, die Produkte selbst zu kaufen, sondern musste ihre Eltern um Erlaubnis bitten.

Kann die Resilienz von Jugendlichen erhöht werden, um Fehlkonsum zu verringern?

Die ersten Ergebnisse der quantitativen Umfrage (n=1007) bestätigen die Erkenntnisse, dass Jugendliche soziale Medien eher passiv konsumieren und relativ wenig mit Influencer:innen interagieren. Die große Mehrheit (~75 Prozent) hat die Beiträge ihrer Lieblings-Influencer:innen gelikt, aber nur ein kleiner Teil interagiert weiter. Diese weitere Interaktion kann in Form des Teilens von Beiträgen, des Kommentierens von Beiträgen oder sogar des Bezahlens von Beiträgen von Influencer:innen erfolgen. Etwa ein Viertel der Befragten hat bereits Produkte von ihrem/ihrer Lieblings-Influencer:in gekauft.

Ein wichtiger Teil der quantitativen Erhebung sind Fragen, die Variablen erfassen, die die Stärke des Zusammenhangs zwischen dem Konsum von Influencer:innen-Marketing und möglichen negativen Folgen beeinflussen können. Diese Assoziationen würden zwischenmenschliche Unterschiede in der Resilienz gegenüber Influencer:innen-Marketing erklären: materialistische Werte, subjektive Werbekompetenz, allgemeine Resilienz und Selbstwert, sowie die finanzielle Situation und die Möglichkeiten für eigenständige Produktkäufe. Derzeit werten wir die Ergebnisse aus und werden zu gegebener Zeit hier im Blog des Fraunhofer ISI darüber berichten.

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