Eine Schnellladeinfrastruktur für Elektro-Lkw in Europa

von Verena Sauter und Daniel Speth /

In Europa sind schwere Nutzfahrzeuge für ein Viertel der Treibhausgasemissionen im Transportsektor verantwortlich und spielen daher eine zentrale Rolle bei der Erreichung der von der EU gesetzten Klimaziele. Die begrenzte Reichweite von Elektro-Lkw erfordert den Aufbau eines europaweiten, öffentlichen Schnellladenetzes, um einen flächendeckenden Einsatz von Batterielösungen zu ermöglichen. Zur Untersuchung des vorhandenen Elektrifizierungspotenzials haben wir zusammen mit unseren Kollegen Tim Signer und Patrick Plötz die europäischen Straßengüterverkehrsströme modelliert.

Als Datenbasis des Modellierungsansatzes diente uns der 2012 veröffentlichte Datensatz des European Transport policy Information System (ETISplus). Dieser beinhaltet die transportierten Gütermengen in Europa, aufgeteilt in 1.676 Regionen. Um eine Prognose zukünftiger Bedarfe an Ladeinfrastruktur im Güterverkehr treffen zu können, haben wir vorhandene Transportmengenflüsse aus dem ETISplus-Datensatz genutzt, um den Straßengüterverkehr in Europa 2030 abzuschätzen. Mit Hilfe eines Modells des europäischen Schnellstraßennetzes haben wir diese anschließend auf konkrete Strecken umgelegt.

© Fraunhofer ISI
Minimale Standortverteilung mit FRLM.
© Fraunhofer ISI
Standortverteilung und Größendimensionierung im Szenario Ausbaunetz mit Flächenansatz.

Die aus der Modellierung resultierenden Verkehrsflüsse nutzten wir als Inputdaten für zwei Ansätze: Der Flächenansatz und das Flow Refueling Location Modell (FRLM). Die beiden Methoden unterscheiden sich in ihrer zugrundeliegenden Zielsetzung: Das FRLM maximiert die Auslastung einzelner Ladepunkte, wobei Ladeinfrastruktur an Orten mit einer hohen Ladenachfrage platziert werden. Der Flächenansatz dagegen strebt eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Ladestandorte an und garantiert so eine hohe geographische Abdeckung.

Mit Hilfe des FRLM haben wir 365 Standorte für Schnellladeinfrastruktur ermittelt. Die meisten Standorte befinden sich in Frankreich (42), Deutschland (40), Spanien (30) und Italien (27). Dabei ist zu beobachten, dass Regionen mit einem dichteren Schnellstraßennetz auch ein engmaschigeres Netz an Ladestationen besitzen und sich diese zumeist an Straßenkreuzungen befinden. Zur vollständigen Elektrifizierung würden an einer durchschnittlichen Station dabei 100 Ladepunkte errichtet, wobei durch die Maximierung der Auslastung an hochfrequentierten Stationen mindestens 400 Ladepunkte errichtet werden müssten.

Innerhalb des Flächenansatzes werden die Standorte dagegen gleichmäßig entlang der Straße verteilt. Wir nehmen an, dass in einem Startnetz im Abstand von 100 Kilometern Ladestandorte errichtet werden, die anschließend auf einen Abstand von 50 Kilometer nachverdichtet werden. Dies deckt sich mit den Zielsetzungen der Industrie: Laut einem aktuellen Bericht der ACEA benötigt diese ein Startnetz mit Ladestandorten alle 100 Kilometer bis 2025 und ein Ausbaunetz mit Standorten alle 50 Kilometer bis 2030.

Unsere anschließende Größendimensionierung führt bei einem Anteil elektrischer Lkw von 5 Prozent und einer Ladedauer von 30 Minuten im Startnetz zu 1.715 Ladepunkten an 812 Standorten. Im Ausbaunetz mit einem angestrebten Abstand von 50 Kilometern zwischen den Standorten und einem Anteil von 15 Prozent elektrischer Lkw errechnen wir insgesamt 4.067 Ladepunkte an 1.715 Standorten.

Beide Ansätze bieten erste Lösungsvorschläge, wie ein flächendeckendes, europaweites Schnellladenetz im Jahr 2030 aussehen könnte. Während das FRLM primär eine untere Schranke für die Standortanzahl liefert, zeigt der Flächenansatz, wie einzelne Standorte bei einer gleichmäßigeren Verteilung dimensioniert werden müssen.

Eine ausführliche Beschreibung der verwendeten Methodik und der Ergebnisse des Flächenansatzes liefern wir im Working Paper »A charging infrastructure network for battery electric trucks in Europe«.

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