Welche Folgen haben sozio-technische Transformationen für Gesellschaften?
Am 7. und 8. November 2018 fand im Bürgerzentrum »Südwerk« in Karlsruhe die 8. Konferenz des »Netzwerks TA« statt. Auf der vom Fraunhofer ISI organisierten »NTA8« ging es um sozio-technische Transformationen aus Sicht der Technikfolgenabschätzung. Die Bandbreite der Vorträge reichte von Veränderungen im Energie- oder Gesundheitssektor bis hin zum Automatisierten Fahren.
»Gesellschaftliche Transformation« - unter diesem Motto stand die »NTA8«. Die Konferenz widmete sich dem tiefgreifenden Umbau gesellschaftlicher Strukturen und Verhaltensmuster, wie sie beispielsweise die Energiewende oder der Umbau der Wirtschaft in eine nachhaltigere Bioökonomie mit sich bringt. Aber auch technologie- und marktgetriebene Umwandungsprozesse wie die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft waren auf der Konferenz ein Thema. Dr. Ralf Lindner, der am Fraunhofer ISI die Themenfelder Technikfolgenabschätzung und Governance koordiniert, erklärt die besondere Ausrichtung der NTA8: »Auf der Konferenz wurden neben theoretischen Fragestellungen der TA-Community auch konkrete Themenfelder wie die Bioökonomie, Energiefragen oder das Autonome Fahren betrachtet und die Chancen, Risiken und Folgen der Veränderungen in diesen Bereichen für die Gesellschaft analysiert. Genau dies ist auch die Rolle der Technikfolgenabschätzung.«
Ein Vortragspanel der NTA8 befasste sich zum Beispiel mit modernen Informations- und Kommunikationstechniken. Darin wurden auch die Chancen und Risiken der Digitalisierung für Ernährungsfragen ausgelotet und die Möglichkeit diskutiert, ob Apps zukünftig noch stärker die Ernährung von Individuen beeinflussen könnten. In einem anderen Panel zu Gesundheitsfragen thematisierte ein Vortrag, wie Technologien über bestimmte Transformationsstrategien die gesellschaftliche Inklusion von behinderten Menschen verbessern können. Hier zeigte sich, dass über 90 Prozent der in einer Studie befragten sehbehinderten Menschen bereits assistive Technologien im Alltag nutzen, um diesen besser zu bewältigen. Ein weiteres Panel drehte sich um das Automatisierte Fahren und die hier bestehenden Chancen (z.B. effektiver Individualverkehr) und Hürden (z.B. Datensicherheit, ungeklärte Ethik- und Verantwortungsfragen) in und für Gesellschaften.
Mobilität als komplexe gesellschaftliche Transformation
Darüber hinaus wurde das Thema Mobilität bei einer Podiumsdiskussion aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Philipp Ellett, Referent Klimaschutzpolitik beim Automobilverband VDA, betonte, dass die Autoindustrie den klimaneutralen Verkehr als oberstes Ziel ansehe und nicht so sehr die Frage nach der einen Antriebstechnik zähle. Dr. Matthias Weber, Leiter des Austrian Institute of Technology in Wien, wies in diesem Kontext darauf hin, dass die Technikfolgenabschätzung alternative Mobilitätsszenarien aufzeigen, die Systemgrenzen erweitern und andere Transformationsaspekte wie die Raumentwicklung stärker in den Fokus rücken müsse. Prof. Dr. Rainer Walz, Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme am Fraunhofer ISI, sah dagegen im Zusammenspiel aus technischen Innovationen und neuen Mobilitätskonzepten eine große Chance, um Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Walz plädierte zudem für den herausfordernden Versuch, komplexe wissenschaftliche Themen stärker über Kanäle wie Social Media zu transportieren, um Forschung für andere Zielgruppen zugänglicher zu machen. Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag, warb abschließend für eine enge Partnerschaft zwischen Politik, Industrie und Wissenschaft, damit gesellschaftliche Transformationen insgesamt besser gelingen können.
Die Konferenz endete schließlich mit einer Keynote von Prof. Dr. Erik Fisher von der Arizona State University zum Thema »Governing Innovation in an age of Populism: What Roles for Technology Assessment?«. Fisher beschrieb das Problem, dass sich in Zeiten von alternativen Fakten und Populismus etliche Menschen politisch nicht mehr repräsentiert fühlten und dabei auch kritisch gegenüber öffentlich finanzierter Forschung eingestellt seien. Um diese Situation zu überwinden, müsse auch die Technikfolgenabschätzung mit ihren Kritikern im Gespräch bleiben und ihnen die Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Argumente vor Augen führen. Dazu gehöre auch eine bessere Sichtbarkeit des Outputs von Wissenschaft, die alles dafür tun müsse, um kein unsichtbares Experten-System fernab der breiten Öffentlichkeit zu sein.
Prof. Dr. Jakob Edler, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer ISI, äußert sich mit Blick auf die NTA8 zu neuen Herausforderungen für Forschung und Technikfolgenabschätzung: »Die NTA8 hat gezeigt, dass sich die Transformationsforschung in Zukunft noch stärker mit der Verbindung von technologischen und politisch gewollten Entwicklungen im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen befassen und hinterfragen muss, was Innovationen dabei eigentlich leisten können und sollen. Diese stärkere Fokussierung des Innovationsdiskurses auf gesellschaftliche Ziele wird zu einer gewissen Politisierung führen, was in Zukunft neue Fragen aufwirft, wie in der Wissenschaft hiermit am besten umzugehen ist. Ihre zentrale Rolle in Zukunftsdiskursen kann die Technikfolgenabschätzung nur wahrnehmen, wenn sie das Wechselspiel von Technik mit sozio-politischen Dynamiken systematischer in den Blick nimmt.«
Weitere Informationen
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.
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