Mode mieten statt kaufen? Fünf Dinge, die wir aus dem Forschungsprojekt Wear2Share gelernt haben

von Julia Weller /

In deutschen Kleiderschränken hängen etliche Kleidungsstücke, die nie oder nur selten getragen werden. Dabei schadet die Herstellung von unnötig produzierten Klamotten der Umwelt und verschwendet Ressourcen. Eine Alternative zur Massenproduktion könnten Miet-Modelle für Mode sein: Solche Angebote ermöglichen es, Kleidungsstücke für einige Wochen oder Monate zu tragen, ohne sie dauerhaft zu besitzen. Mehrere Menschen haben nacheinander die Möglichkeit, dasselbe Kleidungsstück zu nutzen. Doch ist gemeinschaftlich genutzte Mode – inklusive vieler Waschgänge und Versandstrecken – besser oder schlechter für die Umwelt als der Einzelkauf? Lohnt es sich für Kund:innen finanziell? Und wie könnte geteilte Mode als nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell aussehen? Antworten darauf haben Forschende des Fraunhofer ISI im Projekt Wear2Share gesucht.

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Im Projekt Wear2Share wurde untersucht, welche Auswirkungen das Mieten von Kleidungsstücken im Vergleich zum Neukauf hat.

Die Modeindustrie hat beträchtliche negative Auswirkungen auf die Umwelt, aber auch ein bedeutendes Potenzial für Ressourceneinsparungen. Ein Ansatz für die nachhaltigere Nutzung von Kleidung sind Miet-Modelle, bei denen Nutzer:innen gegen eine einmalige Leihgebühr oder einen monatlichen Abo-Beitrag Kleidungsstücke für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt bekommen. Nach Ende der Mietdauer schicken sie die Klamotten zurück, sodass weitere Menschen dieselben Teile tragen können.

Ein Konsortium unter Führung des Fraunhofer ISI hat im Projekt Wear2Share solche Geschäftsmodelle auf ihre ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit hin untersucht. Unter Leitung von Dr. Miriam Bodenheimer und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) haben die Wissenschaftler:innen über drei Jahre hinweg verschiedene Erkenntnisse über Mode-Miet-Modelle gewonnen, die wir hier in Auszügen vorstellen.

 

1. Geliehene Mode ist für die Umwelt meistens besser als gekaufte

Gemeinschaftlich genutzte Mode muss häufig gewaschen und zwischen den verschiedenen Nutzer:innen hin- und hertransportiert werden. Trotzdem ist es umweltfreundlicher, Mode zu mieten als jedes Stück neu zu kaufen – weil dadurch insgesamt weniger Kleidungsstücke produziert werden müssen. Die so erzielten Einsparungen von Wasser und Energie in der Produktion können die Umweltlasten durch einen wiederholten Versand von Kleidungsstücken überkompensieren.

Geteilte Mode kann nach Berechnungen des Fraunhofer ISI im Vergleich zum Einzelkauf rund 31 Prozent Treibhausgase, 31 Prozent Energieaufwand und 37 Prozent Wasser einsparen. Allerdings kann sich die Umweltbilanz geteilter Mode durch klimaschädliches Verhalten auch verschlechtern, beispielsweise wenn Nutzer:innen für den Rückversand lange Strecken mit dem Auto zurücklegen.

 

2. Die meisten Menschen in Deutschland haben noch nie Mode gemietet

Es gibt viele gute Gründe für das Mieten von Mode: Etwa, um mehr Abwechslung in die eigene Garderobe zu bringen, vergleichsweise günstig Markenartikel zu tragen, selten genutzte Stücke wie Skijacken oder Abendkleider nicht selbst besitzen zu müssen und natürlich wegen des Nachhaltigkeitsgedankens.

Allerdings haben zwei repräsentative Befragungen in der Zielgruppe von Mode-Miet-Modellen gezeigt, dass viele Menschen das Geschäftsmodell bisher nicht kennen. So gaben nur zwei Prozent der befragten Frauen zwischen 20 und 59 Jahren an, bereits Leihsysteme für Kleidung zu nutzen. Zwei Drittel der Befragten hatten noch nie von dem Konzept gehört. Für rund 35 Prozent der Befragten käme das Geschäftsmodell nicht in Betracht.

32 Prozent der Frauen könnten sich das Mieten von Mode aber grundsätzlich vorstellen, und fast 20 Prozent würden gegen einen monatlichen Betrag ein Abo abschließen. Das entspricht deutschlandweit einem Kundenpotenzial von etwa 4,3 Millionen Frauen.

Mehr zum Thema: Warum mieten Frauen Kleidung – und warum nicht?

Unter den Eltern junger Kinder, eine weitere Kernzielgruppe für Miet-Mode, zeigten sich rund 53 Prozent der Befragten grundsätzlich interessiert. Die Hälfte der Befragten wäre aber nicht bereit, für ein Abo mehr als 30 Euro im Monat zu bezahlen – ein Preis, der unter Betrachtung der anfallenden Kosten für Anbieter extrem gering wäre.

 

3. Mode zu mieten ist eine Zeit lang günstiger als der Kauf

Das Forschungsteam hat anhand von zwei ehemals tatsächlich in Deutschland angebotenen Geschäftsmodellen berechnet, ob – und falls ja, wie lange – sich das Mieten von Klamotten für Kund:innen im Vergleich zum Kauf finanziell lohnt. Dafür wurden die Kosten für das Mieten und diejenigen für das Kaufen von Babykleidung in Größe 62 und Kinderklamotten in Größe 122 berechnet. So konnten sie ermitteln, dass sich das Mieten von Kindermode im Vergleich zum Neukauf in den ersten drei Monaten in allen Kategorien lohnt, bei Größe 122 sogar je nach Art der Kleidung vier oder sogar fünf Monate lang. Allerdings gilt das nur im Vergleich mit dem Kauf neuer Kleidungsstücke: Baby- und Kinderkleidung wird auch oft gebraucht und damit billiger gekauft, was in den meisten Fällen günstiger ist als ein Miet-Modell.

Die Forscher:innen verglichen auch die Kosten für das Mieten von Damenmode per Einzelausleihe oder im Abo mit den Kosten für den Neukauf der entsprechenden Teile. Sie stellten fest, dass sich das Mieten im Vergleich zum Neukauf von Einzelstücken für bis zu fünf Monate immer lohnt. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass sich die Kleidungsgröße von erwachsenen Frauen tendenziell seltener ändert als die von Kindern. Damenkleidung könnte dementsprechend länger getragen werden, als es sich im Leihmodell finanziell lohnt. Für Kleidungsstücke, die über mehrere Jahre getragen werden, lohnt sich der Kauf letztendlich mehr. Wer ein Teil aber nur eine Weile lang tragen möchte, für den ist das Mieten meistens die günstigere Option.

 

4. Als Geschäftsmodell ist Miet-Mode für Anbieter eine Herausforderung

Verschiedene Start-ups, aber auch größere Konzerne haben sich bereits an der Etablierung eines langfristig erfolgreichen Angebots für Miet-Mode in Deutschland und Europa versucht. Viele dieser Firmen und Plattformen existieren nur kurz. Durch den Austausch mit Akteuren aus der Praxis, insbesondere dem ehemaligen Anbieter Relenda GmbH, konnten zentrale Herausforderungen für das Geschäftsmodell identifiziert und Handlungsempfehlungen für zukünftige Unternehmungen formuliert werden.

Einerseits erwies sich die fehlende Bekanntheit des Konzepts von Miet-Mode als Problem, weil sie hohe Kosten für das Marketing mit sich bringt. Zudem ist es schwer, neue Kund:innen zu gewinnen, weil nur ein geringer Teil der Zielgruppe an einem Miet-Angebot interessiert ist. Auch ist es eine Herausforderung, Kund:innen dauerhaft zu halten – viele sind nur im Winter an Miet-Modellen interessiert, um teure Stücke wie beispielsweise Skiware auszuleihen. Andererseits müssen Anbieter ihren Kleidungsbestand ständig durch Zukäufe attraktiv halten, um den Bedarf der Kund:innen langfristig zu decken. Auf lange Sicht besteht die Gefahr, dass Kund:innen nicht mehr genügend Vorteile im Miet-Modell sehen, weil das wahrgenommene Kosten-Nutzen-Verhältnis bei einem dauerhaften Abo mit monatlich fälligem Beitrag im Laufe der Zeit schlechter wird.

Mit Blick auf diese Herausforderungen empfehlen die Forschenden, dass Start-ups möglichst mit dem Verleihen von anlassbezogener und höherpreisiger Mode (z.B. Skijacken, Abendkleider) anfangen sollen. Sobald dieses Modell erfolgreich etabliert und wirtschaftlich stabil ist, können zusätzliche Abo-Modelle für Alltagsmode eingeführt werden. Firmen sollten außerdem mit langlebiger, robuster Ware arbeiten und hohe Marketing-Kosten einkalkulieren.

 

5. Das Ausleihen von Mode reduziert tatsächlich den Neukauf

Im Rahmen des Forschungsprojekts Wear2Share wurden Kund:innen der ehemals bestehenden Angebote Kilenda (Kindermode) und Stay Awhile (Damenmode) zu ihren Erfahrungen mit den Miet-Modellen befragt. 

Die befragten Eltern, die Kilenda nutzten, gaben an, dass die gemietete Mode im Schnitt etwa ein Viertel der Kinderbekleidung ausmachte und den Neukauf von Kinderkleidung um etwa 20 Prozentpunkte reduzierte (von 50 Prozent auf 32 Prozent). Die befragten Kundinnen von Stay Awhile gaben an, dass sie rund 40 Prozent ihrer getragenen Damenkleidung über das Mietmodell bezogen und sich der Anteil an Kleidung, die neu gekauft wurde, von 73 Prozent auf 33 Prozent verringert hatte. Bei allen ökonomischen Herausforderungen kann Miet-Mode also tatsächlich den Neukauf von Kleidungsstücken reduzieren – und damit zur Minderung der Umweltauswirkungen der Modebranche beitragen. 

 

 

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