Baden-Württemberg: Enge Verzahnung des Industrie- und Dienstleistungssektors bringt Standortvorteile bei der Digitalisierung
Eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI sowie des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt, dass industrienahe Dienstleistungen in Baden-Württemberg sehr innovationsstark sind. Sie sorgen dafür, dass gerade KMU die Chancen der Digitalisierung besser nutzen und immer öfter digitale hybride Dienstleistungen anbieten können. Die Studie weist aber auch darauf hin, dass in der Industrie nur ein Teil der Unternehmen vom Dienstleistungsgeschäft profitiert, während sich andere ganz oder teilweise daraus zurückziehen.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat der Dienstleistungssektor in Baden-Württemberg weiter an Bedeutung gewonnen. Gerade aufgrund der starken Industrie resultieren aus der Verknüpfung zwischen Industrie- und Dienstleistungssektor wichtige Potenziale, die sich im Zuge der Digitalisierung nutzen lassen. Immer mehr Industrieunternehmen bieten zudem selbst industrielle, produktbegleitende Dienstleistungen wie Wartungsverträge oder Sharing-Modelle an und erzielen daraus zum Teil beträchtliche Umsätze.
Dr. Andreas Koch vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und Projektleiter der im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg durchgeführten Studie »Die Bedeutung der industrienahen Dienstleistungen in Baden-Württemberg unter besonderer Berücksichtigung der Digitalisierung« unterstreicht, wie wichtig die Verzahnung von Industrie und Dienstleistungen für das Bundesland ist: »Im Verbund erzielen Industrie und industrienahe Dienstleistungen in Baden-Württemberg einen Anteil von 43 Prozent an der Wertschöpfung des Landes – der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei etwa 27 Prozent. Gerade Informations- und Kommunikationsdienstleistungen, die für die Digitalisierung und Industrie 4.0 entscheidend sind, spielen in Baden-Württemberg eine besonders wichtige Rolle.«
Besonders hohe Performance bei IT-Dienstleistungen
Die besondere Innovationsstärke des Dienstleistungssektors und die hohe Performance bei IT-Dienstleistungen bringt Baden-Württemberg laut der Studie einen Standortvorteil bei der Digitalisierung ein, den gerade KMU aus der Industrie für ihre Digitalisierungsbemühungen nutzen sollten. Dr. Christian Rammer vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim erklärt hierzu: »Die Dienstleistungsunternehmen in Baden-Württemberg nutzen schon heute Online-Plattformen, softwarebasierte Kommunikationslösungen, Big-Data-Analysen oder Cloud-Computing. Um das Angebot an anspruchsvollen und innovativen digitalen Dienstleistungen weiter ausbauen zu können, müssen aber noch Herausforderungen bei Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit sowie insbesondere bei der technischen Infrastrukturausstattung gemeistert werden. Gerade bei Datenübertragungsraten und Zuverlässigkeit besteht noch deutlicher Handlungsbedarf.« Das Digitalisierungs-Know-how führt dazu, dass viele Industrieunternehmen und Dienstleister aus Baden-Württemberg international sehr attraktive und gefragte Kooperationspartner sind, was ihnen Zugang zu überregionalen Märkten und zu externem Wissen verschafft.
Wenngleich das Anbieten von Dienstleistungen für viele Unternehmen aus der Industrie im digitalen Zeitalter zentral sein wird, zeigt sich laut Dr. Christian Lerch vom Fraunhofer ISI, dass nicht alle Industrieunternehmen damit erfolgreich sind: »Unsere Erkenntnisse zeigen zum einen, dass bundesweit fast ein Drittel aller Industriebetriebe wirtschaftlich erfolgreich ihr Dienstleistungsgeschäft betreiben, dabei hybride Wertschöpfungskonzepte anbieten und auch Dienstleistungsinnovationen hervorbringen. Andererseits existiert eine bislang kontinuierlich wachsende Gruppe an Betrieben – aktuell etwa 30 Prozent –, die keinerlei Umsätze aus ihren Dienstleistungsangeboten erzielen.« Die Gründe hierfür sind laut Lerch vielschichtig: So könnte sich der Rückgang zum Teil dadurch erklären lassen, dass gerade kleinere Unternehmen nicht imstande sind, komplexe digitale Dienstleistungen anzubieten. Auch könnte eine hohe Kundenabhängigkeit dazu führen, dass Dienstleistungen als unentgeltliche Leistung zum eigentlichen Produkt verlangt werden oder Unternehmen schlichtweg nicht damit erfolgreich sind.
Digitalisierung begünstigt hybride Dienstleistungen
Diese Entwicklungen sind deshalb besorgniserregend, weil die Digitalisierung das Entstehen von hybriden Wertschöpfungskonzepten, die maßgeblich auf produktbegleitenden Dienstleistungen basieren, begünstigt. Der Anteil von Unternehmen, die solche digitalen hybriden Dienstleistungen anbieten, liegt heute schon bei 32 Prozent. Zudem weisen Betriebe mit digitalen Service- und Geschäftsmodellen sehr viel höhere Umsatzanteile mit Dienstleistungen auf und sind besser auf die Digitalisierung eingestellt.
Gelingt es künftig insbesondere bei den unternehmensnahen Dienstleistungen die Wertschöpfung und Produktivität sowie insgesamt die Schnittstelle des Industrie- und Dienstleistungsverbunds in für Baden-Württemberg besonders wichtigen Bereichen wie dem Maschinen- oder Fahrzeugbau sowie generell in KMU weiter zu stärken, ist das Land gut für kommende Herausforderungen vorbereitet. Dies gilt insbesondere für die digitale Transformation, die stark nach neuen Geschäftsfeldern und -ideen verlangt, für die schon heute die Weichen gestellt werden sollten.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.
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